Julia Extra Band 375
Schließlich hatte sie sich um Andrew zu kümmern. Sie wollte niemandem gefallen. Und überhaupt, habe ich mich nicht erst gestern herausgeputzt, um einen guten Eindruck zu machen? Das hat schließlich auch nichts gebracht.
Am Ende tauschte Liz das Fleece-Oberteil gegen einen blaugrünen Rentierpullover. Damit hatte sie ihre unterschwellige Geste mit etwas durch und durch Albernem verbunden und dies – sosehr ihr auch nach Rebellion zumute war – ohne dabei vollkommen unprofessionell zu wirken. Davon überzeugte sie sich zumindest selbst.
Fünf vor sieben kam sie in Charles’ Wohnkomplex an. Er wartete bereits am Eingang auf sie. Als sie ihn in seinem Cashmeremantel erblickte, begann ihr Herz schneller zu schlagen. Er sah wie immer umwerfend aus. Das ist einfach nicht fair!
„Guten Morgen, Elizabeth!“, begrüßte er sie.
Liz versagte die Stimme und dass er sie gerade der Länge nach musterte, war auch nicht gerade hilfreich. „Guten Morgen.“
„Sie haben sich an den Casual Friday erinnert, wie ich sehe.“
„Schlimm?“
Sie war sich nicht ganz sicher, ob der Ausdruck auf seinen Gesichtszügen Enttäuschung oder Erheiterung war oder eine Mischung aus beidem. „Nicht wirklich“, gab er zurück und schlüpfte aus dem Mantel, unter dem er einen perfekt geschnittenen Anzug trug. Liz war mit einem Mal sehr froh darüber, sich gegen den grünen Fleecepullover entschieden zu haben. „Wir werden heute eine ganze Weile im Auto verbringen. Wenn Sie also noch irgendetwas brauchen …“
„Wenn das so ist, würde ich mir noch einen Kaffee holen, bevor wir losfahren.“
Man sah Charles die Auswirkungen des gestrigen Unfalls an, als er mit ungelenken Bewegungen auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Nur um nicht weiter darüber nachdenken zu müssen, wie nah sie beieinandersaßen, wandte Liz sich ihm zu und fragte ihn nach seinem Rücken. Ihr fiel nicht zum ersten Mal auf, dass er größer wirkte, als er tatsächlich war. Obwohl sie in hohen Schuhen ein Stück größer war als er, fühlte sie sich neben ihm jetzt sonderbar klein und zerbrechlich. Vorsichtig schaute sie zu seiner Wange. Über Nacht war die rote Stelle dunkler geworden und wirkte jetzt eher wie eine Schürfwunde.
„Ihre Wange sieht besser aus.“
Auf ihre Bemerkung hin erschien ein sehr sonderbarer Ausdruck auf seinem Gesicht. Eine skurrile Mischung aus Verwunderung und Dankbarkeit, so als hätte sie von etwas weit Wichtigerem gesprochen als von seiner Wange. Liz spürte deshalb selbst ein ebenso merkwürdiges Kribbeln im Bauch und schaute ihm in die Augen, doch er wandte sich schnell ab und lehnte sich in seinem Sitz zurück.
„Wenn Sie noch einen Kaffee wollen, sollten Sie sich beeilen“, sagte er, den Blick starr auf die Aussicht hinter der Windschutzscheibe gerichtet.
Sie hielten bei einem Donut-Shop in der Nähe des Highways. Charles zufolge handelte es sich dabei um eins der wenigen Lokale, die einen halbwegs anständigen Kaffee anboten. Es war seiner bescheidenen Meinung nach eine Zumutung, dass man in dieser Gegend nur schwer ein akzeptables Getränk bekam. Wenn ich schon für eine Weile hier festsitze, muss ich etwas dagegen unternehmen. Er lachte in sich hinein. Als ob ich tatsächlich irgendwo länger bleiben würde. Ich muss meine Anwälte wirklich ein bisschen antreiben.
Über seine Sekretärin musste er ebenso lachen. Casual Friday, hm? Da ist doch irgendetwas faul.
Wahrscheinlich will sie mir damit heimzahlen, dass ich sie als Chauffeur angestellt habe. Es sah ganz so aus, als hätte seine Sekretärin auch eine feine Ader für Bevormundung in ihrem eisernen Rückgrat. Schade, dass ich nun nicht den Einblick genießen kann, den ihr Rock zulässt.
Was ihm jedoch tatsächlich Sorgen bereitete, war seine Reaktion auf ihre Frage nach seiner Wunde. Es war eine ganz normale Frage gewesen, eine reine Höflichkeit. Doch er war außer sich vor Freude geraten. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wann jemand sich das letzte Mal nach seinem Befinden erkundigt und es wirklich ernst gemeint hatte.
„Alles okay?“ Elizabeths Frage riss ihn aus seinen Gedanken. Er blickte auf und sie schaute ihn besorgt an. „Sie sehen so ernst aus.“
Schon wieder hatte sie ihn in einem Moment ertappt, in dem er sich unbeobachtet geglaubt hatte. „Der Kaffee ist ziemlich dünn. Ich bevorzuge ihn stärker“, sagte er schnell.
„Was Kaffee angeht, sind Sie ziemlich wählerisch.“
Die Vorsicht, mit der sie das äußerte, amüsierte ihn.
„Meinen
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