Julia Extra Band 375
starrte auf die Tür eines der Hängeschränke und wartete bis Andrew zurückkehrte.
„Mom …“
„Nein“, schnitt sie ihm das Wort ab. „Hast du auch nur die leiseste Ahnung, wie wütend ich gerade auf dich bin? Was hast du dir nur dabei gedacht?“
„Wir wollten ja nicht miteinander schlafen.“
„Na dann …“ Sie riss eine der Türen auf. „Ich dachte, ich hätte dich zu mehr Vorsicht … zu mehr Klugheit erzogen.“
„Ich hab dir doch gesagt, dass wir nicht miteinander …“
„Aber fast“, entgegnete sie. „Vielleicht nicht dieses Mal. Aber was wird das nächste Mal passieren, hm? Ich bin nicht naiv, Andrew. Wie kannst du nur so …“ Verdammt! Sie war so wütend, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. „Herrgott noch mal, du bist erst siebzehn Jahre alt. Was hast du dir nur dabei gedacht?“
„Das musst du gerade sagen“, hörte sie ihn murmeln.
Schlechte Antwort. Damit konnte sie nicht umgehen. Jetzt nicht. „Geh sofort auf dein Zimmer!“, sagte sie zu ihm. Ihre Kiefer schmerzten, weil sie die Zähne so fest aufeinandergebissen hatte. „Ich möchte dich heute nicht mehr sehen.“
„Oh, komm schon, Mom!“
„Sofort!“
„Okay, okay.“ Zum Glück war er nicht so dumm, weiter zu diskutieren.
Sobald er seine Zimmertür hinter sich zugeschlagen hatte, holte sie eine Flasche Wein aus dem Schrank. Sie fühlte sich, als hätte ihr jemand in die Magengrube getreten.
Wir wollten ja nicht miteinander schlafen. Sie schüttelte den Kopf. Die Verführung lag immer nur einen Kuss entfernt. Das wusste sie selbst nur allzu gut.
Schließlich hatte sie Charles’ Duft noch auf der Haut.
9. KAPITEL
Unglaublich. Es schneit schon wieder. Hört das denn nie auf? Er war sich sicher gewesen, dass das warme Wetter von gestern bessere Zeiten angekündigt hatte. So ist New England eben. Das Wetter ändert sich alle fünf Minuten.
Charles starrte aus dem Bürofenster. Es schneite nicht sehr, doch die Wolken hatten die Berge völlig umhüllt. Sie fehlten ihm. Der Anblick war zu einem Teil seines Alltags geworden.
Doch es machte keinen Unterschied. Er war dennoch bester Laune.
Etwas in seinem Inneren war über Nacht anders geworden.
Er wusste nicht, wie er es nennen sollte, doch er war ganz von diesem Gefühl erfüllt.
Das könnte natürlich eine ganze Menge mit Elizabeth zu tun haben. Die süße, leidenschaftliche Elizabeth. Er hatte mit anderen Frauen geschlafen, aber … wow ! Ihm fehlten die Worte. Er konnte nicht genug von ihr bekommen. Konnte nicht nah genug bei ihr sein.
Um Gottes willen, was ist nur mit mir los? Acht Uhr dreißig am Morgen und es geht schon wieder los.
Das Klingeln des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken. Als er die Nummer sah, ließ er es dreimal klingeln und nahm dann den Anruf entgegen.
„ Ni hao ma , Mr Huang Bin.“
Huang Bin lachte am anderen Ende. „Ich grüße Sie. Sie klingen heute Morgen so voller Elan. Ich nehme an, Sie konnten die Schwierigkeiten in der Firma zu Ihrer Zufriedenheit klären.“
„Ja, das stimmt. Ich danke Ihnen, dass Sie mit dem Verschieben des Termins einverstanden waren.“ Charles hatte einen geschäftlichen Notfall vorgeschoben. Er wollte die Verhandlung nicht in Gefahr bringen, indem er zugab, dass es sich bei dem Notfall lediglich um ein Eishockeyspiel gehandelt hatte.
Auch wenn sein Erscheinen beim Spiel ungeahnte Auswirkungen gehabt hatte.
„Kein Problem“, antwortete Huang Bin. „Um diese Zeit kann ich ohne Unterbrechungen sprechen. Ich habe die letzten Finanzdaten von Ihnen erhalten und ich muss sagen, wir hier bei Xinhua sind sehr beeindruckt.“
„Das freut mich zu hören. Vielen Dank.“
„Wir sind der Ansicht, dass es an der Zeit ist, die nächsten Schritte einzuleiten. Ich würde gern die Anlage besichtigen, um selbst zu entscheiden, ob Ihr Unternehmen das ist, wonach wir suchen.“
„Natürlich.“
„Ich werde Ende der Woche in Boston auf einer Fachtagung zum Thema Handelsbeziehungen zwischen Asien und den USA sein. Ich würde im Anschluss daran gerne zu Ihnen nach Gilmore kommen.“
Seine gute Stimmung ließ etwas nach. Er war nicht davon ausgegangen, dass es so schnell gehen würde. Er würde also nicht so viel Zeit mit Elizabeth haben, wie er gehofft hatte.
Huangs Stimme klang in seinem Ohr. „Charles? Sind Sie noch da?“
„Ja“, sagte er, als er sich wieder gefasst hatte. „Bitte entschuldigen Sie, was haben Sie gesagt?“
„Ich sagte, dass ich Sie anrufen werde, wenn ich in Boston
Weitere Kostenlose Bücher