Julia Extra Band 376
Wenn sie Liebe und Integrität zugunsten von Luxus und Überfluss verraten und ihre Seele verkauft hätte.
Allein bei dem Gedanken daran wurde ihr übel. Nein, da stand sie lieber mit beiden Füßen hier im Morast und kämpfte mit den Menschen, die sie liebte, gegen den drohenden Bankrott an.
„Bist du bereit, Sam?“ Entschlossen stemmte sie die Schulter gegen die Kuh. „Jetzt! Langsam und stetig.“
Gemeinsam schafften sie es endlich, das Tier aus dem Morast zu befreien und Stück für Stück in die richtige Richtung zu bewegen.
„Prima!“, keuchte Luisa. „Nur noch ein kleines Stück …“ Die weiteren Worte gingen im Rattern des Hubschraubers unter, der plötzlich fast über ihnen hinter der Hügelkuppe auftauchte.
Die Kuh bäumte sich erschrocken auf und stieß Luisa um. Wild mit den Armen rudernd, landete sie bäuchlings im Morast, von Kopf bis Fuß mit Matsch bedeckt.
„Luisa! Alles okay?“ Trotz aller Besorgnis musste ihr Onkel lachen.
Sie blickte hoch und sah, wie die Kuh schwankend davontrottete. Mühsam rappelte Luisa sich ebenfalls auf.
„Toll.“ So gut es ging, wischte sie sich den Schmutz aus dem Gesicht und lächelte Sam an. „Matsch soll doch gut für den Teint sein, oder? Vielleicht sollten wir das Zeug hier in Flaschen füllen und als Schönheitsmittel verkaufen.“
„Mach keine Witze darüber, Mädchen. Vielleicht kommt es noch so weit.“
Zehn Minuten später ließ Luisa Sam auf der Weide allein zurück und ging zum Haus. Overall und Gesicht fühlten sich ganz steif an von dem trocknenden Matsch, aber in Gedanken war sie bei dem Anruf der Bank. Ihre finanzielle Situation sah wirklich trostlos aus.
Doch jetzt würde sie erst mal duschen und sich eine schöne Tasse Tee gönnen.
Unwillkürlich verlangsamte sie ihre Schritte, als sie die Hügelkuppe erreichte. Auf der Wiese hinter dem Haus stand der Hubschrauber. Metall und Glas funkelten in der Sonne, ein kostspieliges Hightech-Spielzeug, das in krassem Kontrast zu dem verwitterten Holzhaus und dem alten, windschiefen Schuppen stand, der kaum dem Traktor und ihrem klapprigen Auto Schutz bot.
Luisa wurde von kalter Angst gepackt. War das vielleicht die angekündigte Betriebsprüfung? So bald und ohne weitere Vorwarnung? Im nächsten Moment schaltete sich ihr Verstand wieder ein. Keine Bank würde wegen einer Betriebsprüfung Geld für einen Hubschrauber verschwenden.
Jemand kam um den Hubschrauber herum, und Luisa blieb wie angewurzelt stehen. Im Gegenlicht der Sonne sah sie die Silhouette eines großen, schlanken Mannes, Inbegriff städtischer Eleganz und Männlichkeit. Bei genauerem Hinsehen erkannte sie dunkles Haar und einen maßgeschneiderten Anzug, der vermutlich mehr gekostet hatte als ihr Traktor und Auto zusammen. Der Fremde wandte sich ab und ging ein paar Schritte, um mit jemandem hinter dem Hubschrauber zu sprechen. Seine Bewegungen verrieten die unterdrückte Kraft eines Panthers, die seine zivilisierte Erscheinung Lügen strafte.
Jetzt kehrte er ihr sein Profil zu. Luisa sah eine hohe Stirn, eine gerade, aristokratische Nase und ein markantes Kinn, das ebenso viel Entschlossenheit verriet wie seine sparsamen Gesten. Entschlusskraft und eine atemberaubend männliche Ausstrahlung.
Unerwartet durchzuckte es sie heiß. Verblüfft hielt sie den Atem an. Noch nie hatte sie sich derart zu einem Mann hingezogen gefühlt. Ja, sie hatte sich schon gefragt, ob sie das je erleben würde. Es war überwältigend und beunruhigend zugleich.
Denn trotz seiner eleganten Kleidung wirkte dieser Mann … gefährlich.
Sie lachte verächtlich. Gefährlich? Wahrscheinlich würde er in Ohnmacht fallen, wenn etwas Matsch seine handgefertigten Lederschuhe beschmutzte. Auf der Wäscheleine hinter dem Haus hingen ausgeblichene Jeans, abgetragene Hemden und dicke Socken. Ein spöttisches Lächeln huschte über ihr Gesicht. Der Typ war hier so fehl am Platz wie nur möglich. Entschlossen ging sie auf ihn zu. Wer, in aller Welt, mochte er sein?
Als hätte er gespürt, dass sie näher kam, drehte er sich um.
„Kann ich Ihnen helfen?“ Ihre Stimme klang ungewohnt heiser.
„Hallo.“ Er lächelte sie an.
Luisa schluckte und bemühte sich, sein Lächeln zu erwidern. Er war tatsächlich umwerfend sexy, wenn man auf den Chauvi-Typ stand, mit unergründlichen, faszinierenden Augen und der Andeutung eines Grübchens im Kinn. „Haben Sie sich verflogen?“ Sie blieb wenige Schritte entfernt von ihm stehen und musste hochblicken, um ihm in
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