Julia Extra Band 376
die Augen zu sehen.
„Nein, das haben wir nicht“, antwortete er mit dem Anflug eines Akzents. „Ich suche Ms Hardwicke. Bin ich hier richtig?“
Überrascht zog Luisa die Brauen hoch. Die Frage war rhetorisch, denn seine selbstbewusste Haltung verriet, dass er nicht eine Sekunde an sich zweifelte. Mit einer lässigen Geste bedeutete er dem bulligen Mann, der gerade um das Haus herumkam, stehenzubleiben, während sein Blick nach einer weiteren Person Ausschau zu halten schien.
„Ja, Sie sind hier richtig.“
Luisa blickte von dem Mann am Haus, der unverkennbar ein Leibwächter war, zu dem Piloten, der seinen Hubschrauber checkte. Nicht weit davon bemerkte sie einen dritten Mann, der anscheinend telefonierte. Alle drei schienen sie wachsam zu beobachten.
Wer waren diese Männer? Und warum waren sie gekommen? Zum ersten Mal in ihrem Leben war Luisa nicht wohl dabei, so einsam hier draußen zu wohnen.
„Sind Sie in einer bestimmten Angelegenheit hier?“, erkundigte sie sich scharf.
„Ja, ich muss unbedingt Ms Hardwicke sprechen.“ Der sexy Unbekannte warf ihr einen flüchtigen Blick zu. „Wissen Sie, wo ich sie finden kann?“
Luisa schoss das Blut heiß in die Wangen. Denn etwas in seinem Blick gab ihr das Gefühl, dass sie auch in sauberer Kleidung und ohne den Schmutz im Gesicht seinen Ansprüchen nicht genügt hätte. Stolz richtete sie sich auf. „Sie haben sie gefunden.“
Diesmal sah er sie wirklich an – so intensiv und prüfend, dass sie erst recht errötete. Seine grünen Augen blitzten auf. Augen, so klar und grün wie Smaragde. Und der Ausdruck darin war ehrlich überrascht und … bestürzt. Im nächsten Moment jedoch hatte er seine Reaktion schon wieder im Griff und zeigte Luisa eine unergründliche Miene. „Ms Luisa Hardwicke?“
Er sprach ihren Namen so aus, wie es ihre Mutter getan hatte, mit einem weichen „s“ und einem Tonfall, der ihn zu etwas Besonderem machte. Wieder beschlich Luisa eine Vorahnung, doch sie schob sie beiseite. Der Akzent musste Zufall sein, denn jene Welt war längst unerreichbar für sie. Kurz entschlossen wischte sie sich, so gut es ging, den Schmutz von den Händen und ging mit ausgestreckter Hand auf den Fremden zu. Es war Zeit, selbst die Initiative zu ergreifen. „Und wer sind Sie?“
Nach nur kurzem Zögern nahm er ihre dargebotene Rechte … und deutete eine Verbeugung an, als wolle er ihr die Hand küssen. Eine Geste, die ebenso charmant wie fremdländisch anmutete. Als er sich wieder aufrichtete, gab sie sich alle Mühe, die Schmetterlinge in ihrem Bauch zu ignorieren, und hielt seinem forschenden Blick stand.
„Ich bin Raul von Monteregio“, sagte er schlicht, aber mit einem so selbstverständlichen Stolz, dass sie sich einbildete, im Hintergrund das Schmettern von Fanfaren zu hören. „Kronprinz Raul.“
Da Raul immer noch ihre Hand hielt, fühlte er buchstäblich, wie sie erstarrte. Im nächsten Moment riss sie sich von ihm los, wich einen Schritt zurück und verschränkte schützend die Arme vor der Brust.
Sofort war sein Interesse geweckt. Dies war nicht gerade die Art, wie man ihn gewöhnlich willkommen hieß. Die meisten Menschen zeigten freudige Begeisterung oder heuchelten sie zumindest.
„Warum sind Sie hier?“, fragte sie heiser. Es klang verletzlich und feminin.
Feminin! Bislang hatte er nicht mal registriert, dass sie eine Frau war. Von den matschverkrusteten Stiefeln über den groben Overall bis hin zu dem alten Schlapphut, unter dessen Krempe sich ihr schmutzverschmiertes Gesicht verbarg, besaß sie so viel Sexappeal wie ein Kohlkopf!
Entsetzt versuchte er, sie sich in der monteregianischen Gesellschaft vorzustellen, wo höfisches Protokoll und makellose Manieren alles waren. Die Sache war schlimmer, als er befürchtet hatte. Aber es gab keinen Ausweg, wenn er sein Anrecht auf den Fürstenthron geltend machen und seinem Land Sicherheit bringen wollte.
Nicht zum ersten Mal verwünschte er die archaischen Gesetzesvorschriften, die ihm die Hände banden. Wenn er erst Fürst war, würde sich einiges ändern.
„Ich habe Sie gefragt, was Sie auf meinem Land suchen.“ Diesmal war der feindselige Unterton nicht zu überhören.
Faszinierend. „Verzeihen Sie“, bat er mit einem gewinnenden Lächeln. „Wir müssen wichtige Dinge besprechen.“
Vergeblich wartete er darauf, dass sie sein Lächeln erwiderte. Ihre Miene wie ihre Haltung blieben starr und unnachgiebig.
„Wir müssen gar nichts besprechen“, entgegnete
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