Julia Extra Band 377
Zahir vergessen hatte, dass dies ihre Hochzeitsnacht war. Sehr aufschlussreich! Erst konnte er gar nicht genug von ihr bekommen, nun war sie seine schwangere Ehefrau und hatte ihren Reiz verloren.
Zahir verkniff sich eine Antwort auf diesen Vorwurf. Glaubte Saffy wirklich, er werde auf der Hochzeitsnacht bestehen? Im Flugzeug? Wenn sie sichtlich erschöpft war? Musste sie unbedingt die fürchterliche Hochzeitsnacht ihrer ersten Ehe aufs Tapet bringen? Saffy war damals in Panik geraten, hatte sich übergeben, war völlig außer sich gewesen. Und er war zu unerfahren gewesen, um richtig auf ihre Panikattacke zu reagieren. Sie waren damals viel zu jung für die Ehe gewesen. Inzwischen sah er das ein.
Schuldbewusst sah er Saffy nach. Bleich und kraftlos schleppte sie sich zum Schlafbereich. Ein Bild des Jammers, das ihn natürlich erst recht an vergangene Zeiten erinnerte. Dabei wollte ich doch einen ehrlichen Neuanfang wagen und alles mit ihr teilen, dachte Zahir verbittert.
Saffy schämte sich. Ihre letzte Bemerkung war wirklich unfair gewesen. Für die katastrophale erste Hochzeitsnacht konnten sie beide nichts. Zahir war sogar besonders geduldig und verständnisvoll gewesen. Woher hätte er wissen sollen, was mit ihr los war, wenn sie selbst im Dunkeln getappt hatte? Ich hätte ihn nicht so angiften dürfen, dachte Saffy schuldbewusst. Ihr alter Fehler, blindwütig auszuteilen, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlte, hatte sich wieder Bahn gebrochen. Zahirs Gerede von Sicherheit und Königinnenstatus hatte sie wohl einfach überfordert. Kritisch betrachtete sie ihr Spiegelbild: verweinte Augen, Wimperntusche und Lidstrich verschmiert. Sah so eine Königin aus?
Wieder einmal war sie in Panik geraten, weil sie fürchtete, Zahirs Ansprüchen nicht zu genügen. Ich muss mich zusammenreißen, dachte Saffy. Sie wollte ihren Mann nicht ein zweites Mal enttäuschen. Er sollte sich nicht für sie schämen müssen. Doch wie verhielt man sich als Mitglied eines Königshauses? Während ihrer ersten Ehe hatte sie nichts über einen Verhaltenskodex erfahren, denn sie war ja praktisch unsichtbar gewesen. Nur die Bediensteten hatten von ihrer Existenz gewusst.
Er liebt mich nicht, dachte sie traurig. Wahrscheinlich traut er mir die Rolle der Königin an seiner Seite auch nicht zu.
Weinend legte sie sich ins Bett. Warum war es ihr so wichtig, was er von ihr hielt? Warum tat es so weh, dass er jetzt nicht bei ihr war und sie tröstend in den Armen hielt? Sie hatte ihn geheiratet, um ihrem Baby einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Aus keinem anderen Grund. Sie hatte keine Ahnung, warum sie jetzt so aufgelöst war. Immer wieder wurde sie von lautlosem Schluchzen geschüttelt.
Ich liebe ihn nicht. Ich liebe ihn nicht. Wie ein Mantra sagte sie sich das immer wieder vor, bis sie fast daran glaubte und erschöpft einschlief.
Die Stewardess brachte ihr das Frühstück ans Bett und informierte sie, dass das Flugzeug in einer Stunde landen würde. Verschlafen setzte Saffy sich auf, bemerkte, dass sie die Nacht allein verbracht hatte, und hob trotzig das Kinn. Zahir hatte also in einem der Sessel geschlafen.
Inzwischen sah sie ein, dass es müßig war, Zahir die Vergangenheit vorzuwerfen. Ändern ließ sich sowieso nichts mehr, und außerdem hatten sie sich in der Zwischenzeit beide weiterentwickelt. Sie duschte, schlüpfte in ein elegantes, bunt gemustertes Kleid, zog sich eine Kaschmirjacke über und verließ den Schlafraum.
Zahir trug jetzt ein traditionelles weißes und beigefarbenes Gewand, das seine beeindruckende Größe und seinen exotischen Teint noch stärker zum Ausdruck brachte, und begrüßte sie lächelnd. Auch Saffy rang sich ein Lächeln ab. Offensichtlich wollte Zahir kommentarlos über die Auseinandersetzung am Vorabend hinweggehen. Das hatte sie schon damals zur Weißglut gebracht. Wenn sie etwas Wichtiges mit ihm besprechen wollte, wich er aus und wechselte das Thema. Energisch verdrängte Saffy die unangenehmen Erinnerungen.
„Wir haben uns gestritten“, bemerkte sie dann jedoch rebellisch.
„Ich weiß. Wir waren beide erschöpft und gereizt. Es hat keinen Zweck, sich nach Mitternacht noch ernsten Themen zu widmen.“ Sein entwaffnendes Lächeln war so sexy, dass Saffy unwillkürlich ein erregendes Prickeln spürte. Verlegen senkte sie den Blick, während Zahir ungerührt seine Kaffee trank. „Möchtest du auch eine Tasse Kaffee?“, fragte er höflich.
Sie schenkte sich rasch selbst eine Tasse
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