Julia Extra Band 377
Untertanen scheinen sich über deine Heirat zu freuen“, merkte sie an.
„Ja, sie sind sehr traditionsbewusst und hoffen auf einen Thronfolger, vorausgesetzt, er wandelt nicht auf den Pfaden meines Vaters, sondern auf meinen“, erklärte er mit blumigen Worten, bevor er Saffy neugierig anschaute. „Was ist eigentlich mit deinem Vater? Zur Hochzeit ist er ja nicht erschienen. Ich wollte nicht nachfragen, weil du ihn vor fünf Jahren auch nicht erwähnt hast. Ist er tot?“
„Nein. Er ist wieder verheiratet. Die Scheidung von meiner Mutter hat ihn sehr verbittert. Mit mir wollte er auch nichts mehr zu tun haben, seit ich mit zwölf Jahren eine große Dummheit begangen habe, die für ihn unverzeihlich war.“
Erstaunt zog Zahir die Augenbrauen hoch. „Jetzt bin ich aber gespannt, was du angestellt hast. Kein Vater verstößt sein eigenes Kind, ohne einen guten Grund dafür zu haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du etwas getan hast, das so eine drakonische Strafe rechtfertigen würde.“
Saffy war blass geworden und presste die Lippen zusammen. „Es war aber so.“
„Was hast du denn getan?“
Jetzt musste sie ihm wohl ihr schrecklichstes Geheimnis verraten. Es hatte keinen Sinn, es weiter zu verheimlichen, denn Zahir gehörte jetzt zur Familie, und würde es früher oder später sowieso erfahren. „Du weißt ja, dass ich keine einfache Kindheit hatte. Meine Schwestern und ich wurden oft uns selbst überlassen. Irgendwann sind wir in schlechte Gesellschaft geraten.“ Ihr wurde heiß und kalt, als sie die Vergangenheit wieder aufleben lassen musste. „Ich habe mit meiner Zwillingsschwester eine Spritztour in einem gestohlenen Wagen gemacht. Ich hatte das Auto nicht selbst gestolen und saß auch nicht am Steuer. Jedenfalls kam es zu einem Unfall, bei dem meine Schwester eine schwere Beinverletzung erlitt, die sie jahrelang behindert hat. Sie hat als Teenager wahnsinnig darunter gelitten. Später wurde sie dann erfolgreich operiert und kann heute wieder normal gehen. Aber ich wurde verantwortlich gemacht, weil die Autodiebe meine Freunde waren. Ich bin der ältere Zwilling und hätte besser auf meine Schwester achtgeben müssen.“
„Meine arme Saffy!“
Zahirs Stimme klang so zärtlich und mitfühlend, dass Saffy ihn überrascht mit ihren traurigen blauen Augen anschaute.
„Du warst damals zwölf Jahre alt! Du hast einen Fehler gemacht und teuer dafür bezahlen müssen.“
„Nein, die Leidtragende war Emmie“, protestierte Saffy sofort. „Jahrelang musste sie mit ansehen, wie ihr eineiiger Zwilling gehen konnte, ohne ein Bein nachzuziehen, ohne von Narben entstellt zu sein. Obwohl Emmie jetzt völlig wiederhergestellt ist, hat sie mir bis heute nicht verziehen, was sie damals erleiden musste. Wir wissen beide, dass ich verantwortlich war und dass ich an Emmies Stelle hätte sein müssen.“
„Aber du musstest auch leiden“, gab Zahir einfühlsam zu bedenken. „Emmie wurde körperlich verletzt, du seelisch. Die Schuldgefühle quälen dich bis heute, oder?“
Tränen schimmerten in Saffys Augen, als sie stumm nickte. Es war furchtbar gewesen, mit anzusehen, wie sehr ihr Zwilling gelitten hatte. Erst hatte Emmie im Rollstuhl gesessen, dann musste sie sich auf Krücken stützen. Sie konnte weder tanzen noch Sport treiben und litt sehr unter ihren Anschlussproblemen zu anderen Teenagern.
„Unfälle passieren nun mal“, fuhr Zahir fort. „Du hast aus der Erfahrung gelernt, oder?“
Sie nickte wortlos und schluchzte auf.
„Und was hat dein Vater getan?“
„Er hat gesagt, ich wäre genauso schlecht und verdorben wie meine Mutter … und dass er nichts mehr mit mir zu tun haben wollte.“
„Und wie hat er sich Emmie gegenüber verhalten?“
„Er hat auch sie aus seinem Leben ausgeschlossen. Und das ist auch meine Schuld.“ Traurig ließ sie den Kopf hängen.
„Nein. Offensichtlich hat er deinen Fehler als Entschuldigung benutzt, sich aus der Verantwortung für seine Zwillingstöchter zu stehlen. Kein halbwegs anständiger Vater würde seine verletzte Tochter im Stich lassen, nur um ihre Schwester zu bestrafen.“
Aus dieser Perspektive hatte Saffy das noch nie betrachtet. Zahir hat recht, dachte sie verwundert. Dass sie nicht selbst auf diese Erklärung gekommen war … Plötzlich stellte sich die Situation damals in ganz neuem Licht dar. Ihr Vater hatte damals praktischerweise gleich beide Töchter aus seinem Leben verbannt. Weder hatte er Emmie im Krankenhaus besucht noch
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