Julia Festival 94
betrachtete ihre regungslose Gestalt. „Sie müssen mir offen Ihre Meinung sagen“, versuchte er es von Neuem.
Musste sie das? Seit wann ließen sich Befehle durch Meinungen ändern? Ione drehte sich um, hielt die Lider aber halb gesenkt. Alexios Anziehungskraft war so groß, dass sie nicht wagte, ihn offen anzusehen.
„Ich stimme in allem mit Ihnen überein.“
„Aber Sie müssen doch irgendwelche Vorstellungen haben!“
„Ich würde die Flitterwochen gern in Paris verbringen“, sagte Ione zögernd, denn es hing viel von Alexios Antwort ab. „So viel ich weiß, besitzen Sie dort ein Haus.“
„Ich besitze auch eine bezaubernde Villa in der Karibik.“
Sogar in diesem unwichtigen Punkt musste Alexio ihr widersprechen! Er konnte nicht anders. Anderen ihren Willen aufzuzwingen gehörte zu den zweifelhaften Tugenden aller starken, erfolgreichen Männer. Trotzdem würde sie Paris als Reiseziel durchsetzen, denn nur in einer großen Stadt konnte sie spurlos verschwinden. Von einer, vermutlich einsam gelegenen, Luxusvilla wegzukommen, würde weitaus schwieriger, wenn nicht unmöglich sein.
Da Ione schwieg, machte Alexio einen dritten Vorschlag. „Wir könnten auch auf meiner Jacht bleiben.“
Ione war bestürzt, denn eine Segeltour hätte all ihre Pläne zunichte gemacht. „Ich werde seekrank“, log sie, ohne lange nachzudenken.
Paris, dachte Alexio. Ausgerechnet Paris, wo er so oft mit Crystal gewesen war. Die Aussicht erschreckte ihn, aber ein Blick in Iones grüne Augen stimmte ihn nachgiebig. Paris schien ihr Herzenswunsch zu sein. Ihr ihn abzuschlagen wäre ihm kleinlich vorgekommen.
„Also gut, dann Paris.“
Ione lächelte zum ersten Mal, und Alexio staunte, wie stark sich ihre Züge dadurch veränderten. Ihr Gesicht schien von innen zu leuchten, was ihn bezauberte und zugleich erregte.
„Darf ich Ihnen die Gemäldegalerie zeigen?“, fragte Ione. Sie schlug sonst nie etwas vor, aber sie hatte in einem wesentlichen Punkt ihren Willen durchgesetzt, und das machte sie mutig.
Alexio trat auf Ione zu, nahm ihre Hände und zog sie an sich, ehe sie richtig begriff, was geschah. „Zunächst dies …“
Nein, nein, nein!, schrie Ione insgeheim auf. Sie zu berühren war nicht vorgesehen und nicht erlaubt. Sie erstarrte von Kopf bis Fuß und blieb so ablehnend, dass ein Blinder es gemerkt hätte.
„Du brauchst dich nicht zu fürchten“, flüsterte Alexio, obwohl er wusste, dass er damit nicht die Wahrheit sagte. Sobald er in Iones Nähe kam, schien sie zu Eis zu erstarren, und dann reizte es ihn, dieses Eis zum Schmelzen zu bringen. Diese klaren grünen Augen sollten ihn anhimmeln, ihn bitten …
Es war Ione, als hätte sie sich in eine andere Frau verwandelt. Sie wollte zurückweichen, aber ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr. Ihre eiserne Beherrschung ließ sie ganz plötzlich im Stich. Jeder Atemzug fiel ihr schwer, und es drängte sie, mehr von Alexio zu spüren.
Sein Mund näherte sich ihrem, dann berührte er sie. Es schien, als wollte er ihr Gelegenheit geben, sich zu wehren, aber es kam nicht dazu. Sein Kuss war so leidenschaftlich, dass Ione instinktiv darauf reagierte. Sie schmiegte sich fester an Alexio, genoss den Druck seines harten Körpers und wollte ihm nur noch nachgeben.
Nach einer Weile ließ er sie los, sah ihr tief in die weit geöffneten Augen und fragte: „Bin ich der Erste?“
Es fiel Ione schwer, wieder zu sich selbst zu finden. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, und sie fühlte eine tiefe innere Erregung. „Der Erste, der mich geküsst hat? Nein.“
Alexio trat einen Schritt zurück. Wollte Ione ihn zum Narren halten? Sie hatte keine Ahnung vom Küssen, es sei denn, sie hatte sich zu Beginn verstellt. Aber wo war der träumerische Augenausdruck geblieben? Warum wandte sie sich wieder so kühl ab, als wäre er gar nicht mehr vorhanden? Dafür konnte es nur eine Erklärung geben, und die rief in ihm Zorn hervor.
„Wer war es?“, fragte er fast grob.
Ione wurde blass. Sie hatte sich ihre Antwort nicht genau überlegt und hätte sie gern zurückgenommen. Böse, schmerzliche Erinnerungen stiegen in ihr auf, und auch die alte Angst war wieder da. Wenn ihr Vater herausfand, dass sie Yannis erwähnt hatte, würde er vor Wut toben. Alexio war auch wütend, aber das wunderte sie nicht. Männer wie er und ihr Vater waren geborene Heuchler. In einem Augenblick predigten sie weibliche Tugend, um sich im nächsten mit einem Flittchen zu vergnügen.
„Er war der Sohn
Weitere Kostenlose Bücher