Julia Festival 94
beiden Armen und folgte seinem Rhythmus, bis die Spannung unerträglich wurde. Ihre Ekstase schien Ione über sich hinauszutragen, dann sank sie zurück und lag glücklich und erschöpft in Alexios Armen.
„Jetzt werden wir nicht nur die Ouvertüre, sondern auch den ersten Akt versäumen“, meinte er scherzhaft, nachdem die Erregung abgeklungen war. „Bedauerst du das sehr?“
„Ob ich es bedauere?“ Ione wusste, dass ihr alles gleichgültig war, solange Alexio sie in den Armen hielt und mit seinen rätselhaften dunklen Augen ansah. „Nein.“
„Es grenzt ans Wunderbare, wie gut wir uns verstehen.“ Alexio lächelte selbstbewusst, und Ione hütete sich, ihm zu widersprechen.
Während der letzten Wochen hatte sie festgestellt, was Alexio schätzte oder nicht schätzte, und sich seinem Geschmack unauffällig angepasst. Dabei war ihr klar geworden, wie wenig sie von Mode verstand. In ihrem Gefängnis auf Lexos hatte sie keine normalen Maßstäbe entwickeln können.
Ohne noch einmal darauf zurückzukommen, hatte Alexio ihr klargemacht, dass ihr Aufzug auf dem Flughafen höchstens zu einem Teenager, aber nicht zu einer verheirateten Frau von fast vierundzwanzig Jahren passte. Wie sich diese Meinung mit der provozierenden Garderobe vertrug, in der sich Crystal Denby zur Schau gestellt hatte, verstand Ione nicht recht, aber eins akzeptierte sie: Alexio hatte Crystal geliebt, und Liebe machte bekanntlich blind. Da sie selbst auf keinem so sicheren Fundament stand, war ihr nichts anderes übrig geblieben, als Alexios Maßstäbe zu übernehmen.
Also waren die geliebten Schuhe mit den diamantenbesetzten Absätzen, die Alexio als den Höhepunkt der Geschmacklosigkeit empfand, im Schrank geblieben. Ein anderer Punkt war, dass er gern früh aufstand, ein weiterer seine erklärte Vorliebe für die griechische Küche. An beides hatte sich Ione erst gewöhnen müssen, denn sie war eine Langschläferin und bevorzugte internationale Gerichte. Aus Liebe zu Alexio hatte sie auch diese Gewohnheiten leichten Herzens aufgegeben.
„Ich bin kein ausgesprochener Opernfreund“, gestand er und riss sie damit aus ihren Gedanken. „Aber du freust dich schon die ganze Woche darauf. Wir werden also hingehen.“
„Dann sollten wir uns beeilen.“ Ione streifte ihre Armbanduhr ab, warf sie auf den Nachttisch und lief ins Badezimmer, um einen Rekord im Schnellduschen aufzustellen.
Eine halbe Stunde später war Ione wieder im Schlafzimmer und suchte vergeblich nach ihrer Armbanduhr. Sie hatte ihr Haar hochgesteckt, um das prächtige Amethystdiadem tragen zu können, das zu der Halskette und den Ohrringen passte.
Dazu trug sie ein enges violettes Kleid, das an einer Seite geschlitzt war und etwas von ihren schlanken Beinen sehen ließ.
Wo war bloß die Uhr? Sie lag weder zwischen den zerwühlten Betttüchern noch auf dem Teppich. Endlich fiel Ione ein, dass sie vorhin auf Alexios Bettseite gelegen hatte und dass die Schublade seines Nachttisches offen gewesen war. Sie zog die Schublade auf und seufzte erleichtert. Da lag die Uhr, neben einer Packung mit Kondomen und einer Fotografie, die eine lächelnde Frau im Bikini zeigte.
Ione streifte die Uhr übers Handgelenk und griff nach der Fotografie, um sie genauer zu betrachten. Plötzlich begann ihr Herz, schneller zu klopfen. Nein, sie irrte sich nicht. Das war Crystal Denby, Alexios verstorbene Verlobte, die so viel von sich reden gemacht hatte.
Selbst Ione musste zugeben, dass sie eine Schönheit gewesen war. Ihre kurvenreiche Figur, die langen, perfekt geformten Beine, die leuchtenden dunklen Augen und nicht zuletzt das provozierende Lächeln hatten bestimmt jeden Mann für sie eingenommen. Nur Alexio konnte das Bild aufgenommen haben, das spürte Ione instinktiv. Crystal hatte sich für ihren Liebhaber in Pose gesetzt, in dem sicheren Bewusstsein, dass er sie bewunderte.
Ione legte die Fotografie zurück und schloss die Schublade. Ihr war kalt geworden und auch ein wenig schwindlig, als hätte ein Hauch des Schicksals sie gestreift. Warum bewahrte Alexio die Fotografie auf, noch dazu in Reichweite neben dem Ehebett? Wie oft sah er sie an? Offensichtlich sehr oft, um darüber ins Träumen zu kommen und der Vergangenheit nachzutrauern.
Ione hatte das Gefühl, einen tödlichen Stich erhalten zu haben, aber gleichzeitig erfasste sie heftiger Zorn. Seit sie in Paris war, hatte sie sich bemüht, nicht an Crystal zu denken, sich nicht vorzustellen, dass Alexio mit ihr dieselben Orte
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