Julia Festival 94
jemanden, der sich zu den auserwählten Menschen rechnete, konnte eine Kinderfrau wahrscheinlich nichts anderes sein.
„Trotzdem hast du mich zu der Heirat gezwungen.“ Jaspar nahm das Betttuch und warf es Freddy verächtlich vor die Füße. „Denk ja nicht, dass ich Mitleid mit dir habe oder jemals haben werde. Du hast mich getäuscht. Du hast gelogen und betrogen, um meine Frau zu werden. Wer sollte mich schelten, wenn ich dich nackt aus meinem Palast jagen würde?“
Freddy fuhr auf und sah ihn entsetzt an.
„Aber wenn du die Wahrheit sagst und tatsächlich denselben Namen wie deine Cousine trägst, werde ich dich weiter als meine Frau betrachten. Dennoch bleibst du in meinen Augen eine Schwindlerin, denn du bist nicht Benedicts Mutter und hast daher keinerlei Anspruch auf ihn.“ Auf Jaspars Gesicht zeigten sich Zorn und Abscheu. „Was zu geschehen hat, werde ich später entscheiden. Jetzt erwartet mich mein Vater.“
Jaspar stürmte aus dem Schlafzimmer. Oberhalb der Treppe blieb er schwer atmend stehen. Am liebsten wäre er umgekehrt, um die ganze Wahrheit aus Freddy herauszuholen. Zugegeben, sie hatte nicht mit Adil geschlafen, ihn mit großer Wahrscheinlichkeit nie gesehen, aber das war auch der einzige Punkt, der zu ihren Gunsten sprach. Es lohnte nicht, sich lange dabei aufzuhalten.
Die richtige Erica Sutton hatte viele Fehler gehabt, aber eins konnte man ihr nicht vorwerfen … sie hatte nicht behauptet, jemand zu sein, der sie nicht war. Anders ihre Cousine. Im Vertrauen auf den Geheimbericht hatte er sich verleiten lassen, eine skrupellose Betrügerin zu heiraten. Die, ach, so hingebungsvolle Kinderfrau! Erst Sabirah und jetzt dies … an einem Tag! Außer sich vor Zorn verließ Jaspar den Palast.
Eine Stunde später stand Freddy in dem angenehm kühlen Empfangssalon im Erdgeschoss des Palastes und beobachtete durch ein großes Fenster, wie die Sonne in einem prächtigen Farbenspiel von Orange, Gold und Blutrot am Wüstenhorizont unterging.
Sie hatte geduscht und trug ein leichtes Sommerkleid, das keinen Anspruch auf modischen Schick erheben konnte. Ihre Lage war nicht gerade beneidenswert, aber Freddy wusste, dass sie niemandem als sich selbst die Schuld daran geben durfte. Jaspar würde Ben jetzt für immer von ihr fernhalten. Sie war nur die Kinderfrau, nicht die Mutter, und außerdem verachtete er sie zu sehr. Ein einziger Blick in seine flammenden Augen hatte ihr das deutlich verraten.
Doch was hatte sie erwartet? Sie bekam nur, was sie verdiente. In ihrem Übereifer, für Bens Wohl zu sorgen, hatte sie Jaspar einen bösen Streich gespielt. Schlimm genug, dass sie ihn zur Heirat gezwungen hatte. Sich als ihre Cousine und Bens Mutter auszugeben war für einen Mann von seinem Charakter noch viel unwürdiger.
Niemals hätte sie so weit gehen dürfen, auch nicht in der äußersten Verzweiflung. Was war aus ihr geworden? Wohin war sie geraten? Sie wollte weinen, aber sie zwang sich, die Tränen zu unterdrücken. Selbstmitleid half wenig, und außerdem hatte sie kein Recht dazu.
Nie in ihrem ganzen Leben hatte sie sich so grenzenlos geschämt. Nie war sie so unglücklich gewesen, aber alles Bedauern kam zu spät. Warum hatte sie nicht bedacht, dass sie sich Jaspar zum unerbittlichen Feind machen würde, wenn die Wahrheit herauskam? Den einzigen Menschen, von dem sie in diesem fremden Land Hilfe erwarten konnte? Sie hatte einfach nicht so weit gedacht und den Augenblick der Wahrheit bis in eine unbestimmte Zukunft verschoben. Sie war davon ausgegangen, dass ihr Versteckspiel die einzige Trumpfkarte in ihrer Hand war, und jetzt hatte sie die ganze Partie verloren.
Dass sie mit Jaspar geschlafen hatte, war nachträglich am unverzeihlichsten und quälte sie am meisten. Gerade weil er ein so anziehender und faszinierender Mann war, hätte sie der Versuchung nicht bei der erstbesten Gelegenheit nachgeben dürfen. Aber sie war ihm so bereitwillig, so begierig entgegengekommen, dass es ihr jetzt noch wie ein Verrat an ihrer Vergangenheit erschien.
Wenn sie Jaspars Worten glauben wollte, hatte er sie benutzt, um sich zu entspannen. Das kränkte sie tief, aber sie empfand es auch als gerechte Strafe für ihr leichtfertiges Verhalten. Dass sie Jaspar nicht vor dem intimen Zusammensein über ihre wahre Identität aufgeklärt hatte, musste sie in seiner Achtung tief herabsetzen. Für ihn hatte sie jede Glaubwürdigkeit verloren, so sehr, dass sie den Jungen, für den sie das alles getan hatte, niemals
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