Julia Festival 94
ihre bisherige Vorsicht außer Acht und sah Leone direkt an. „Darf ich fragen, woher Sie diese Information haben?“
„Aus privaten Quellen.“
„Ihre Information ist falsch.“
„Lügen Sie nicht“, sagte Leone mit sanftem Vorwurf. „Lügen kostet Zeit, und die habe ich nicht. Meine Informationen treffen immer zu. Ich weiß zuverlässig, dass die Bank Ihren Kredit nur erhöht, wenn Sie einen von mir unterschriebenen Jahresvertrag vorlegen können.“
„Wenn ein Bankmitarbeiter falsche Behauptungen über meine Liquidität aufgestellt hat, werde ich mich offiziell beschweren.“ Mistys silbergraue Augen blitzten vor Entrüstung und Kampflust. „Ich versichere Ihnen, dass ich im Fall eines Vertragsabschlusses keinerlei Schwierigkeiten haben würde, diesen Vertrag für die vereinbarte Zeit zu erfüllen.“
„Ihr Optimismus ist beeindruckend, aber lassen Sie uns bei den Tatsachen bleiben. Sie haben Talent und können gut organisieren, doch mit dem Angebot für unseren ersten Vertrag lagen Sie falsch. Ihr Preis war zu niedrig. Sie vertreten eine arbeitsintensive Branche mit hohen Personalkosten, steigenden Versicherungsabgaben und Auflagen der Gesundheitsbehörde, die für einen kleinen Betrieb kaum zu bezahlen sind. Daher haben Sie auch keinen Gewinn erzielt.“
„Der Vertrag war sehr wichtig für mich“, erklärte Misty. „Es stimmt, mein Angebot war extrem niedrig, aber ich hatte die berechtigte Hoffnung, im nächsten Jahr mehr Profit zu machen. Sie sagten damals, es sei Ihnen ein persönliches Anliegen, örtliche Betriebe zu unterstützen …“
„Nicht, wenn sie von einer Frau geleitet werden, die nicht zugeben will, dass sie sich übernommen hat. Wie können Sie ruhig dasitzen und mit mir diskutieren, wenn ich doch weiß, dass die Miete für Ihre Geschäftsräume überfällig ist, dass Zinsen für Ihren Bankkredit anstehen und Sie überhaupt bis zu Ihrem bezaubernden Hals in Schulden stecken.“
„Lassen Sie meinen Hals – ob bezaubernd oder nicht – bitte aus dem Spiel.“ Misty stand auf, denn es war ihr unerträglich, ständig von oben herab angesehen zu werden. Wie konnte er es wagen, so mit ihr zu sprechen? Schlimm genug, dass er ihr keinen neuen Vertrag geben wollte. Musste er sie auch noch beleidigen, indem er ihre Fähigkeiten als Geschäftsfrau in Zweifel zog? Das war mehr, als sie ertragen konnte.
„Die Nerven zu verlieren wird Ihnen bei mir wenig nützen“, meinte Leone mit einem spöttischen Blick auf ihre kämpferische Haltung. Sie war etwa ein Meter fünfundsiebzig groß und schlank wie eine Gerte. Was bezweckte sie mit dieser Taktik? Bluffen lag ihr nicht, dann hätte sie ihn anders angesehen. Warum wollte sie ihm dann weismachen, dass sie nicht kurz vor dem finanziellen Ruin stand?
„Sie haben mich rufen lassen, um mir eine Absage zu erteilen“, sagte Misty leidlich gefasst. Am liebsten wäre sie auf Leone Andracchi losgegangen, um seinen spöttischen, überheblichen Blick nicht länger ertragen zu müssen. „Ist es da unbedingt nötig, auch noch persönlich zu werden?“
Leone zog eine Augenbraue hoch. „Und wenn ich mit dem Gedanken spiele, Ihnen einen Rettungsring zuzuwerfen?“
Misty begann unkontrolliert zu lachen. Kam jetzt das, was sie am meisten fürchtete? War das die Aufforderung zum Kniefall? Wenn sie an die Folgen dachte, die der Verlust des Auftrags mit sich bringen würde, war sie zu fast allem bereit. Sie wusste inzwischen, dass dieser Mann gern mit Menschen spielte – besonders wenn sie zum weiblichen Geschlecht gehörten.
„Besteht denn eine solche Möglichkeit?“
Misty befeuchtete sich die trockenen Lippen und merkte zu spät, dass Leone sie dabei beobachtete. Männer dachten angeblich alle fünf Minuten an Sex, aber bei diesem Mann waren es höchstens fünf Sekunden! Er strahlte eine so starke Sinnlichkeit aus, dass keine Frau davon unberührt bleiben konnte. Auch bei ihr genügte ein Blick von ihm, um sich ihres Körpers bewusst zu werden. Ob sie wollte oder nicht, ihre Brüste spannten sich, und die Spitzen richteten sich auf.
Es beruhigte Misty, dass ihre Kostümjacke diese sinnlichen Reaktionen verbarg. Angenommen, er würde etwas davon wahrnehmen, würde daraus schließen, dass sie ihm nicht widerstehen konnte … Sie war schon zu oft von Männern verletzt worden, um nicht von Grund auf misstrauisch zu sein. Dabei brauchte sie Leone Andracchi nicht mal zu fürchten. Er beurteilte die Frauen nach ihren äußeren Reizen, und da konnte sie
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