Julia Festival Band 0103
Leben einfacher ohne ihn. Sie wäre frei, sich einen Mann zu suchen, der ihre Gefühle mit gleicher Zärtlichkeit zu erwidern bereit war, einen Mann, nach dem sich die Frauen nicht umdrehten. Sie wollte einen ganz normalen Mann, der nichts mit pubertierenden Models und deren selbstsicheren und besitzergreifenden Müttern zu tun hatte.
„Hier bitte.“ Die Empfangsdame öffnete eine Schiebetür.
Der Wintergarten trug seinen Namen zurecht, denn nur Glaswände trennten ihn vom Park, und auch das Dach war aus Glas, sodass man direkt in den Himmel blicken konnte. Aus Lautsprechern erklang leise klassische Musik, und die kleinen Tische der gemütlichen Sitzgruppen waren verschwenderisch mit Blumen dekoriert, die betörend dufteten. Wer immer diesen Raum geplant haben mochte, es war ihm perfekt gelungen, alle Sinne anzusprechen.
Amber fröstelte. Warum hatte sie es Finn überlassen, den Ort zu bestimmen, an dem sie sich treffen wollten? Sie hätte eine ganz andere Umgebung gewählt: nüchtern und unromantisch, mit ungemütlichem Licht und ohne Blumen.
Aber Finn hatte für sie entschieden – wie er es stets getan hatte.
„Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?“, fragte die Empfangsdame. „Kaffee? Tee? Oder ein Glas Wein?“
Amber schüttelte den Kopf. Das hätte noch gefehlt, dass sie sich hier häuslich niederlassen und Finn Tee einschenken würde, als wäre alles so wie früher! „Nein danke“, lehnte sie ab und lächelte höflich.
Als sie allein war, setzte sie sich und griff wahllos nach einer Illustrierten. Wie es das Schicksal wollte, blätterte sie einen Artikel auf, der die Überschrift trug: „Geht Ihr Mann fremd? Zehn sichere Zeichen, die es Ihnen verraten!“
Diesen Artikel hätte sie vor Weihnachten lesen sollen, dann hätte sie gewusst, was es zu bedeuten hat, wenn ein Mann sagt, er müsse bis in die Nacht hinein arbeiten, weil es anders nicht gehe. Wie naiv sie doch gewesen war – wie dumm!
Wie er behauptet hatte, dass er Karolina und Birgitta lediglich so helfe, wie er es ihnen als Vermieter schuldig sei! All die Abende, die er angeblich im Büro zugebracht hatte! Sein Verhalten war so schmutzig, so hinterhältig gewesen – so enttäuschend. Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass Finn sich einmal derart entpuppen könnte, denn sie hatte ihn für einen aufrichtigen und einfühlsamen Menschen gehalten.
Als Finns Stimme sie aus ihren Gedanken aufschreckte, schloss sie die Augen, denn ihr Herz klopfte plötzlich wie wild, ohne dass sie etwas dagegen hätte unternehmen können.
„Amber?“
Sie öffnete die Augen und war überrascht, dass sie nicht den Kopf heben musste, um ihm ins Gesicht zu blicken. Aber es dauerte eine Weile, bis sie erkannte, weshalb.
Finn saß im Rollstuhl.
11. KAPITEL
Trotz allem, was Finn ihr angetan hatte, und obwohl er Birgitta ihr, Amber, vorzog, hätte sie ihn am liebsten umarmt und geküsst. Sie hatte Finn so vermisst, sein Lächeln, die Art, wie er sie zum Lachen gebracht oder zum Nachdenken gezwungen hatte – und die Leidenschaft in ihr entfacht hatte. Unbeschwert glücklich waren sie jedoch nur in der ersten Zeit ihrer Beziehung gewesen.
Der kometenhafte Aufstieg von Finns Agentur hatte einen normalen Alltag unmöglich gemacht, erst recht, nachdem die Medien sich für Finns Privatleben interessierten, weil jederzeit mit dem Börsengang der Agentur gerechnet wurde. Wahrscheinlich – das wurde Amber erst jetzt klar – war Paul Millington auch deshalb an einem Interview mit ihr so interessiert gewesen.
Amber hoffte, dass ihr nichts von der Sehnsucht anzumerken war, die sie spürte, als sie Finn betrachtete. Er sah aus, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Der Rollstuhl hatte an Finns beeindruckender Ausstrahlung nichts ändern können, er wirkte ebenso dynamisch und selbstbewusst wie vor seiner Krankheit. Er sah nur ungewöhnlich blass aus – was das Grün seiner Augen noch intensiver erscheinen ließ.
Amber suchte nach Worten, die weder mitleidig noch verletzend klangen. „Du hättest mich warnen sollen“, sagte sie schließlich.
Auch sein Lachen klang wie immer, tief und warm. „Warum?“, wollte er wissen. „Hättest du mir sonst ein Lätzchen mitgebracht, damit ich mich nicht bekleckere?“
Sie hörte die Bitterkeit, die aus seiner Stimme klang, und fragte sich, unter welchen Vorurteilen er wohl schon zu leiden gehabt hatte, seit er an den Rollstuhl gefesselt war.
„Du siehst nicht aus, als hättest du
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