Julia Festival Band 0103
sich auf seinem Stuhl zurück. „Habe ich dich mit meiner Frage vor den Kopf gestoßen?“
„Das ist der falsche Ausdruck. Ich bin lediglich verwirrt. Immerhin hast du in all den Jahren, die ich schon für dich arbeite …“
„Erinnere mich bitte nicht daran, wie viele es mittlerweile sind!“
„Nein.“ Auch Ursula fand es beängstigend, wie schnell die Zeit dahinflog. Normalerweise vermied sie es peinlich, darüber nachzudenken, um sich ja nicht mit der Tatsache auseinandersetzen zu müssen, dass sie – nüchtern betrachtet – in eine Sackgasse geraten war, aus der sie einen Ausweg suchen musste, solange sie es noch konnte.
Genau da lag allerdings ihr Problem. Denn wer würde schon gern einen so guten Job aufgeben wollen – noch dazu bei einem Boss wie Ross Sheridan?
Sie lächelte. „Dann lass es mich anders formulieren. Es ist also schon eine Weile her, dass ich mich für die verrückte und chaotische Welt der Werbebranche entschieden habe und du mich aus der Anonymität des Schreibbüros befreit und mich zu deiner Assistentin gemacht hast. Und es ist das erste Mal, dass du mich zu dir nach Hause einlädst.“
„Ja, weil du stets behauptet hast, man solle Job und Privatleben voneinander trennen.“
„Das stimmt“, räumte sie ein, denn sie hatte es wirklich gesagt, es jedoch nicht gemeint. Es war lediglich eine Schutzbehauptung gewesen, um sich besser von ihrem Boss abgrenzen zu können, weil er eine so starke Anziehungskraft auf sie ausübte.
Wenn Ursula ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass sie am liebsten jeden Abend, jeden Morgen, jede Sekunde ihres Lebens mit Ross Sheridan verbracht hätte. Nur eines hielt sie davon ab.
Ross war mit Jane verheiratet.
Und selbst wenn er ungebunden gewesen wäre, hätte sie, Ursula O’Neil, keine Chance gehabt. Männer wie Ross interessierten sich nicht für Frauen mit üppigen Rundungen, sondern wollten superschlanke Frauen, die rassig und elegant wirkten.
Frauen wie Jane, kreativ und gut aussehend, an denen selbst das billigste Fähnchen wie ein Designerkleid wirkte. Ursula schluckte. Nein, um ihrer selbst willen lud Ross sie ganz bestimmt nicht ein.
„Warum soll ich Lückenbüßer spielen?“, fragte sie deshalb rundheraus.
Ross wirkte betreten, und die Situation schien ihm unangenehm zu sein. Auch von dieser Seite hatte Ursula ihn noch nie kennengelernt. Erst zögernd und jetzt verlegen – was war nur los mit ihm?
„Wir haben Katy eine Geburtstagsparty versprochen“, erklärte er schließlich. „Und Jane hatte die Idee, auch einige Erwachsene dazu einzuladen, damit es wirklich eine Party und kein Kindergeburtstag wird. Da habe ich sofort an dich gedacht.“
Sie lächelte erfreut. „Ach so!“
Katy war seine Tochter und ihr erklärter Liebling. In den Ferien und wenn Jane beruflich stark beansprucht war, brachte er Katy oft mit ins Büro. Daher war sie, Ursula, es gewesen, die Katy mit dem Computer vertraut gemacht und ihr unzählige Kartenspiele beigebracht hatte. Als Gegenleistung hatte Katy sie über die neuesten Stars und Trends der Popszene aufgeklärt.
Kaum zu glauben, dass seit dem letzten Geburtstag, an dem Katy sich gewünscht hatte, mit Ross und ihr in den Zoo zu gehen, schon wieder ein Jahr vergangen war. „Wie alt wird Katy eigentlich?“, erkundigte sich Ursula. „Elf?“
Ross schüttelte den Kopf. „Zehn, sie wirkt nur älter.“ Er spielte immer noch mit seinem Bleistift, ein untrügliches Zeichen, dass er angestrengt nachdachte.
„Ja, Katy ist für ihr Alter ungewöhnlich vernünftig.“ Sie nickte. „Außerdem weiß sie über Brüche und Primzahlen mehr als ich.“
„Das will nicht viel heißen.“ Ross zwinkerte ihr zu. „Denn wenn jemand mit Mathematik auf Kriegsfuß steht, dann bist du das, Ursula.“
„Ich hasse eben alles, was mit Zahlen zusammenhängt“, gestand sie, ohne den Blick von seinen Händen abzuwenden. „Ross, irgendetwas stimmt doch nicht!“
„Wieso?“ Er hörte auf, mit dem Bleistift zu spielen, und kniff die Augen zusammen. „Wie kommst du darauf?“
„Du bist mit deinen Gedanken sonst wo, nur nicht bei der Arbeit“, verkündete sie. „Das ist mir schon die ganze Woche aufgefallen.“ Eigentlich schon den ganzen Monat, setzte sie im Stillen hinzu.
„Du kennst mich einfach zu gut, Ursula.“ Es klang vielmehr wie eine Anschuldigung als wie ein Kompliment.
Ursula ignorierte seine verschlossene Miene. „Also, was ist los?“, hakte sie nach.
„Ich stehe so unter
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