Julia Festival Band 0103
Zeitdruck …“
„Dann musst du eben delegieren“, hielt sie entgegen. „Schließlich bist du hier der Boss.“
„Eben darum wollen die Kunden mich .“
Das war ein Problem, wie sie nur allzu gut wusste, und eines, über das sie sich schon oft geärgert hatte. „Die Kunden können doch nicht einfach über dich verfügen“, sagte sie daher scharf. „Sie werden dann eben mit Oliver vorliebnehmen müssen oder mit einem jener vielversprechenden Talente, denen du Unsummen an Gehalt zahlst.“
Ross zuckte nur die Schultern. „Kommst du nun, Ursula? Katy würde sich bestimmt riesig darüber freuen.“
Ursula tat nur so, als müsste sie es sich überlegen. Natürlich würde sie die Einladung annehmen – und das nicht nur, um Katys Wunsch zu erfüllen. Sie musste zugeben, dass sie der Versuchung nicht widerstehen konnte, Einblick in sein Privatleben zu gewinnen. Ob er zu Hause ebenso unordentlich wie im Büro war? Würde Jane nicht nur Katy, sondern auch ihn wie eine Glucke bemuttern?
„Vielen Dank für die Einladung, Ross. Wann soll ich da sein?“
„Gegen sechs. Wir haben Katy versprochen, dass sie zum ersten Mal abends feiern darf.“
Da war es wieder, dieses „wir“, das ihr deutlich zu verstehen gab, dass Ross bereits gebunden war.
Ursula ließ sich allerdings nichts anmerken. „Also kein Kindergeburtstag mehr mit Wackelpudding und Unmengen von Süßigkeiten?“, fragte sie nur und lachte.
„Das bleibt abzuwarten! Aber wenn du jetzt schön brav bist, werde ich dafür sorgen, dass zumindest eine schöne Schokoladentorte auf dem Tisch steht.“ Er lächelte flüchtig und begann, Männchen auf seinen Zeichenblock zu malen, für sie ein untrügliches Zeichen, dass er jetzt eine kreative Phase hatte.
Ross gehörte zu den glücklichen Menschen, die beides besaßen – künstlerische Begabung und einen ausgeprägten Geschäftssinn. Obwohl er erst zweiunddreißig war, hatte er sich in der Werbebranche schon einen Namen gemacht, und seine Agentur galt als Topadresse. Als Texter suchte er seinesgleichen, und bisher war jede Werbekampagne unter seinem Management ein unwahrscheinlicher Erfolg gewesen, auch in finanzieller Hinsicht.
So kometenhaft sein Aufstieg gewesen war, so hart hatte er auch dafür gearbeitet, das wusste niemand besser als sie. Ross hatte seine Karriere in einer großen Londoner Werbeagentur begonnen, die für seine Entwürfe zwei Auszeichnungen erhalten hatte. In jener Agentur hatte er auch sie kennen- und schätzen gelernt, denn sie hatte Qualitäten, die seinen sehr ähnlich waren. Sie stand mit beiden Beinen fest im Leben und war pünktlich und fleißig. Weder telefonierte sie stundenlang mit ihrem Freund noch kehrte sie nach der Mittagspause beschwipst ins Büro zurück, weil sie beim Italiener Wein zum Essen getrunken hatte.
Als Ross dann mit Oliver Blackman eine eigene Agentur gegründet hatte, hatte er ihr den Job als Assistentin angeboten, und sie war die erste fest angestellte Vollzeitkraft der Agentur Sheridan-Blackman geworden. Es gab Situationen, da konnte Ursula sich überhaupt nicht vorstellen, dass es einmal eine Zeit gegeben hatte, in der sie ihn noch nicht gekannt hatte. Dann wieder schien es ihr, als wäre sie ihm erst am Vortag begegnet.
Ross war eine charismatische Persönlichkeit und manchmal, wie alle Künstlernaturen, durchaus schwierig. Er konnte gereizt und pedantisch sein, ungeduldig und launisch. Aber sein Enthusiasmus, sein Witz und sein strahlendes Lächeln, das jede Frau schwach werden ließ, machten es mehr als wett.
Nachdenklich betrachtete Ursula ihren Boss. Wie in der Agentur allgemein üblich trug er keinen Anzug und hatte auch auf eine Krawatte verzichtet. Seine Beine, die er momentan ausgestreckt hatte, waren unwahrscheinlich lang, und selbst das lässig sitzende Hemd konnte nicht verbergen, wie schmal seine Hüften und wie breit seine Schultern waren. Ross war der Schwarm sämtlicher Mitarbeiterinnen, nicht nur seiner Agentur, sondern des ganzen Bürokomplexes.
Er war gut einsneunzig groß, selbst auf Socken – das wusste jeder, denn Ross ließ seine Schuhe am liebsten gleich hinter der Bürotür stehen. Sein Haar war dunkelbraun, fast schwarz, dicht und wellig und meist zu lang, da er sich nicht die Zeit nahm, zum Friseur zu gehen.
Ursula seufzte. Es war wirklich nicht leicht, für einen Mann zu arbeiten, der wie ein Filmstar aussah. Um sich abzulenken, stand sie auf und fragte ihn, ob er einen Kaffee wolle.
Ross nickte. „Das klingt
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