Julia Festival Band 0103
gut.“
Sie war schon fast an der Tür, als er sie um zwei Kopfschmerztabletten bat.
Ursula drehte sich noch einmal um. „Zu viel getrunken?“, erkundigte sie sich. „Oder wirst du etwa krank?“
„Ich hatte lediglich um zwei Tabletten gebeten, nicht um ärztlichen Rat“, antwortete er grimmig.
„Zu Befehl, Boss!“ Demonstrativ straffte sie sich und salutierte. „Bleib nur ruhig sitzen und entspann dich, während ich alles hole.“
„Danke.“ Ihr Sarkasmus prallte an ihm ab, denn Ross war mit seinen Gedanken schon wieder ganz woanders und kritzelte geistesabwesend auf seinem Block.
Sie ging in die Teeküche und schaltete den Wasserkocher ein. Dann blickte sie aus dem Fenster auf die Skyline von London. Wie glücklich sie doch war, im Herzen von London in diesem hochmodernen Bürokomplex arbeiten zu dürfen. Für eine Frau, die nichts weiter als einige Abendkurse in Maschineschreiben vorzuweisen hatte, hatte sie es wirklich weit gebracht.
Die Küche war genau so eingerichtet, wie man es bei einer Werbeagentur erwartete: funktional, aber durchgestylt bis ins kleinste Detail. „Das Image ist alles in unserem Geschäft“, hatte Ross ihr an ihrem ersten Arbeitstag in der Agentur gesagt. Ursula konnte sich noch lebhaft daran erinnern, wie abfällig und bitter er geklungen hatten, und sie wusste noch genau, wie sie sich damals gefragt hatte, ob er glücklich war.
Dann hatte sie erfahren müssen, dass er verheiratet war und eine kleine Tochter hatte. Sie war völlig verzweifelt gewesen, obwohl sie niemals ernsthaft daran geglaubt hatte, dass so ein Traummann wie Ross ausgerechnet an ihr, einer pummeligen jungen Frau aus ärmlichen Verhältnissen, Gefallen finden könnte.
Mittlerweile waren Ross und sie beruflich ein unschlagbares Team – was allerdings nicht bedeutete, dass sie nicht doch manchmal davon träumte, wie er sie in die Arme nahm und … aber daran war schließlich nichts Schlimmes, denn diese Fantasien hatten mit Sicherheit alle Frauen, die in seiner Nähe arbeiteten.
Ross war ein brillanter Werbetexter und erfolgreicher Geschäftsmann, hatte eine durchtrainierte Figur und Augen, die keine Frau je vergessen konnte. War es da verwunderlich, dass jede sich um ihn bemühte?
Doch obwohl sich die schönsten Models und die erfolgreichsten Schauspielerinnen ihm regelrecht anboten, hatte er nie Affären gehabt. Das machte ihn für Ursula nur noch interessanter.
Sie stellte eine Kaffeekanne und Tassen sowie einen Teller mit seinen Lieblingskeksen auf ein Tablett, legte die Tabletten daneben und brachte es ihm. Schweigend schenkte sie ein und ging dann mit ihrer Tasse an ihren Schreibtisch zurück.
„Ursula?“ Ross räusperte sich.
„Ja?“
„Wie alt bist du eigentlich?“
Ursula horchte auf. Schon wieder dieses untypische Räuspern! „Das weißt du ganz genau, Ross! Außerdem ist es ungehörig, eine Lady nach ihrem Alter zu fragen.“
„Für mich gibt es keine Ladys, nur Frauen.“ Er trank einen Schluck Kaffee. „Also?“
„Ich bin siebenundzwanzig, fast achtundzwanzig“, antwortete sie widerstrebend. „Warum fragst du?“
„Muss ich einen Grund haben?“
Ursula nickte, wobei das Licht auf ihr schwarzes Haar fiel und es bläulich schimmern ließ. Sie trug das Haar offen, was im Büro nicht besonders praktisch war, doch sie bildete sich ein, dass ihr rundliches Gesicht so schmaler wirkte. „Ja, denn ich arbeite schon sechs Jahre für dich, und noch nie hast du mich nach meinem Alter gefragt.“
„Vielleicht denke ich mir eine Überraschung aus …“
„Oh, überlegst du etwa, morgen zur Abwechslung einmal pünktlich zu kommen?“
Sein Lachen klang etwas betreten. „Du hast recht“, gab er zu. „In letzter Zeit bin ich häufig zu spät gekommen.“
Ursula senkte den Blick und blätterte geschäftig in den Papieren, die sich auf ihrem Schreibtisch stapelten. Sie wollte dieses Thema nicht vertiefen. Ross war verheiratet, und wahrscheinlich ließ ihn seine Frau morgens nicht so schnell aus dem Bett. Sie freute sich für ihn, dass er glücklich verheiratet war, wollte allerdings nicht ständig daran erinnert werden.
„Also, warum interessiert dich mein Alter? Möchtest du mir eine Prämie für langjährige treue Dienste zahlen, oder tust du dir selbst leid, weil du es schon so lange mit mir aushalten musst?“
Ross ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, sondern karikierte mit wenigen sicheren Strichen einen skandalumwitterten Minister, der zurzeit täglich in den Medien
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