Julia Festival Band 0103
sich am Küchentresen abzustützen.
„War das dein erster Kuss, Ursula?“
Sie lachte abschätzig. „Wie kommst du denn darauf? Dass ich noch nie mit einem Mann geschlafen habe, bedeutet noch lange nicht, dass ich überhaupt keine Erfahrung habe.“
„Also hast du schon einmal einen Mann geküsst“, stellte er in einem Ton fest, als würde er an seinen eigenen Worten zweifeln.
„Natürlich, Ross, wo lebst du denn? Schließlich bin ich achtundzwanzig!“, antwortete Ursula unwirsch, wurde dann aber nachdenklich, denn das Mindeste, was sie Ross schuldete, war Ehrlichkeit. „Aber noch nie so“, setzte sie deshalb langsam hinzu.
„Das habe ich gemerkt“, sagte er zärtlich. „Ich hatte das Gefühl, dass du mir alles geben willst.“
„Das Gefühl hatte ich bei dir auch, Ross.“
Nachdenklich betrachtete er sie. „Irgendwie habe ich immer noch keinen Hunger“, erklärte er nach einer Weile. „Ich glaube, ich werde jetzt noch etwas arbeiten.“
Das war’s dann also, dachte sie, eben noch himmelhoch jauchzend, jetzt zu Tode betrübt – aber so ist das Leben. Jahrelange Übung hatte sie gelehrt, ihre wahren Gefühle hinter einem fröhlichen Lächeln zu verbergen. Diese Fähigkeit kam ihr auch jetzt zu Hilfe.
„Das ist eine prima Idee!“, rief Ursula begeistert. „Dann kann ich jetzt in die Stadt gehen und mir Schuhe für Ambers Hochzeit kaufen.“
9. KAPITEL
Die Hochzeit von Amber und Finn fand in Irland in Finns Heimatdorf statt, das in einer so sattgrünen Landschaft lag, wie Ursula sie noch nie gesehen hatte. Untergebracht war sie in dem wunderschön gelegenen alten Gasthof, in dem auch gefeiert wurde.
Es war eine außergewöhnliche Hochzeit, und die feierliche Stimmung resultierte nicht zuletzt aus dem Umstand, dass Finn von einer Krankheit genesen war, die genauso gut hätte tödlich enden können. Diese Erfahrung hatte auch die Beziehung zwischen Amber und ihm beeinflusst. Beide wussten jetzt, dass sie füreinander das Wichtigste auf der Welt waren.
Amber trug das Hochzeitskleid, das ihre Mutter schon gekauft hatte, als sie noch ein Kind gewesen war, das Kleid, das Luke Goodwin für seine Braut wieder aufgespürt hatte, weil deren Mutter es entworfen hatte, das Kleid, welches das Schicksal so vieler Menschen miteinander verknüpfte …
Ursula kämpfte mit den Tränen, als sie ihre Schwester in vollem Brautstaat sah, ihre Schwester, die sie großgezogen und über den Tod der Mutter hinweggetröstet hatte …
Amber sah wunderschön aus, und der einfache Schnitt des Kleids brachte ihre perfekte Figur voll zur Geltung. Ihr Haar war hochgesteckt, und der Schleier fiel ihr in üppigen Falten über die Schultern. Sie war schon immer außergewöhnlich hübsch gewesen, doch heute war sie schöner denn je, da sie vor Glück strahlte, wie es nur eine Braut tun konnte.
Ursula hatte ihrer Schwester beim Ankleiden geholfen, sie beruhigt, wenn sie nervös wurde, und ihr liebevoll zugestimmt, wenn sie versicherte, dass keine Frau der Welt so glücklich sein könnte wie sie.
„Ist es nicht unfassbar, Ursula, dass man für einen Menschen so tief empfinden kann wie ich für Finn? Und das größte Wunder ist, dass Finn meine Gefühle erwidert!“ Amber, deren Schönheit ihr eine glänzende Karriere als Model ermöglicht hätte, wenn sie sich nicht für Finn entschieden hätte, sah Ursula fragend an.
„Für mich ist es nicht unglaublich, Amber, denn jeder Mensch mit Augen im Kopf kann sehen, dass ihr füreinander geschaffen seid.“ Ursula seufzte, denn unwillkürlich musste sie an Ross denken – und an die letzte Begegnung mit ihm …
In den letzten Tagen hatte sie sich entweder krampfhaft darum bemüht, dieses Erlebnis zu verdrängen, oder sich eingeredet, dass es nichts bedeutet hatte. Was war schon dabei, wenn ein Mann und eine Frau sich küssten? Es hatte bestimmt nur am Wetter gelegen, die unerträglich schwüle Luft hatte sowohl Ross’ als auch ihren Verstand getrübt und sie vergessen lassen, dass sie nichts weiter waren als Boss und Sekretärin.
Hier in Irland jedoch, weit weg von Ross, war Ursula in der Lage, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Hier vermochte sie sich einzugestehen, dass jener Sommertag ihr die aufregendste Erfahrung ihres Lebens beschert hatte. Hier in Irland ließ sie ihrer Fantasie freien Lauf und stellte sich vor, was geschehen wäre, wenn die Dinge ihren Lauf genommen hätten. Was passiert wäre, wenn …
„Ursula, ist dir nicht
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