Julia Festival Band 0103
lächelte. „Das kann ich mir nicht vorstellen, denn wenn von uns beiden einer unordentlich ist, dann bin ich es. Ursula, ich bin noch nie in deiner Wohnung gewesen und möchte sie gern sehen.“
„Du hast dich bisher ja auch nie dafür interessiert.“ Sie bemühte sich, nicht vorwurfsvoll zu klingen, und unterließ es auch, ihn nach dem Grund für seinen plötzlichen Sinneswandel zu fragen. Schweigend stieg sie aus und ging zum Haus, um die Tür aufzuschließen.
Alles war noch so, wie sie es verlassen hatte. Die Kissen lagen ordentlich in der Sofaecke, die Zimmerpflanzen waren grün und tadellos gepflegt, Bücher und Illustrierte waren auf dem Tisch neben ihrem Lesesessel aufgestapelt. Ihre Mutter wäre mit ihr zufrieden gewesen.
Ross blickte sich um. „Ja, Ursula, hier ist es wirklich chaotisch. Ich muss schon sagen, du bist eine richtige Schlampe.“
Befreit lachte Ursula auf. „Ich weiß, dass ich mich dumm benommen habe, Ross.“
Er ging durchs Zimmer, las die Buchtitel und betrachtete die Bilder an den Wänden. Dann nahm er einen silbernen Rahmen mit einer verblassten Fotografie aus dem Regal, um sie genauer anzusehen. „Das Hochzeitsfoto deiner Eltern?“, fragte er.
Ursula nickte, und er musterte sie aus zusammengekniffenen Augen. „Du kommst nach deiner Mutter, während Amber ihrem Vater ähnelt, habe ich recht?“
„Ja.“ Ursula wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Das Wohnzimmer schien ihr plötzlich winzig klein, und seine Nähe machte sie nervös, denn schließlich war sie es nicht gewohnt, Männer bei sich zu empfangen. Sie schluckte. „Möchtest du dir wirklich die Bilder ansehen, oder darf ich dir einen Tee anbieten?“
„Ein Tee wäre prima!“, antwortete er prompt, machte es sich auf dem Sofa bequem und streckte die Beine aus.
„Oh, lass dich nicht stören, fühl dich ganz wie zu Hause“, bemerkte sie und lächelte übertrieben freundlich.
„Keine Angst, das tu ich auch.“ Er schob sich ein Sofakissen in den Rücken.
Ursula kniff die Augen zusammen. Ross benahm sich irgendwie komisch! Jetzt lächelte er sie auch noch nachsichtig an, als würde er sich über ihre offensichtliche Verwirrung amüsieren. Hing sein eigenartiges Verhalten vielleicht mit dem Zwischenfall vor Ambers Hochzeit zusammen?
„Also, dann mache ich uns jetzt einen Tee.“ Sie drehte sich um und zog sich in die Küche zurück.
Als sie das Teegebäck aus einer teuren Konditorei herausnahm und auf einen Teller legte, war sie richtig stolz auf sich. Es hatte sie nämlich große Überwindung gekostet, die Kekse für eine besondere Gelegenheit aufzubewahren, anstatt sie an einem einsamen Fernsehabend in sich hineinzustopfen. Diese Willenskraft wurde jetzt fürstlich belohnt!
Als Ursula mit dem Tablett ins Wohnzimmer kam, war Ross vom Sofa aufgestanden, hatte die Terrassentür weit geöffnet und war in den kleinen Innenhof getreten, der zu ihrer Wohnung gehörte. Sie stellte das Teegeschirr auf dem Couchtisch ab und ging zu ihm.
Er stand vor der cremefarbenen Kletterrose, die sich an einem Spalier die Wand entlangrankte, hatte die Augen geschlossen und roch an einer besonders schönen Blüte. Ihr Herz schlug höher, als er sich zu ihr umdrehte und glücklich lächelte.
„Was für einen wunderschönen Garten du hast, Ursula!“
„Vielen Dank für das Kompliment, Ross. Du solltest ihn erst einmal im Mai sehen, denn wenn Jasmin und Flieder blühen, ist es hier am schönsten.“
„Blühen alle Pflanzen weiß?“, erkundigte er sich.
„Ja, und die meisten duften ganz intensiv.“ Ursula nickte und machte eine ausholende Geste. „So ein kleiner Garten muss sorgfältig geplant sein. Aber gerade dadurch, dass er so klein ist, kann man den Duft der einzelnen Blumen und Sträucher auch ganz bewusst wahrnehmen.“ Sie legte den Kopf zurück, schloss die Augen und atmete tief ein.
„Also ein Garten, der alle Sinne anspricht – zumindest fast alle“, stellte er leise fest.
Ursula öffnete wieder die Augen und stellte fest, dass Ross sie fasziniert betrachtete. Verwirrt bückte sie sich, um etwas Unkraut auszurupfen, das sie dann nervös zwischen den Fingern zerpflückte. „Wenn du meinst“, antwortete sie ausweichend.
„Man sieht diesem Garten an, dass du eine leidenschaftliche Gärtnerin bist“, bemerkte er.
„Leidenschaftlich?“, wiederholte sie und runzelte die Stirn. Leidenschaft war nun wirklich keine Eigenschaft, die sie mit sich in Verbindung brachte.
„Ja, genau,
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