Julia Festival Band 0103
mühsam hervor. „Ich hatte nicht erwartet, dass ich mich danach so einsam und leer fühlen würde.“
„Weil etwas in deinem Leben zu Ende gegangen ist?“, fragte er verständnisvoll.
„Irgendwie ja. Amber ist nicht mehr meine kleine Schwester. Sie ist jetzt erwachsen und geht ihre eigenen Wege.“
„Das ist doch schon seit einigen Jahren so.“
„Ja, aber eine Hochzeit ist so endgültig. Amber und Finn gehören jetzt vor Gott und der Welt zusammen. Er gehört ihr, und sie gehört ihm …“ Sie schwieg und schluckte.
„Und?“ Ross ließ nicht locker.
„Und ich werde nicht mehr gebraucht – der Mohr hat seine Schuldigkeit getan.“
Er schüttelte den Kopf und öffnete ihr die Tür. „Steig ein!“, befahl er barsch.
Erst als Ursula auf dem weichen Ledersitz saß, merkte sie, wie müde sie wirklich war. Es waren anstrengende Tage gewesen, zu viel Singen und Tanzen, zu viel Alkohol und zu wenig Schlaf. Sie blickte zu Ross, der den Gang einlegte und rückwärts setzte. „Du brauchst mich nicht zu bedauern“, meinte sie, denn sie hatte das Gefühl, dass sie sich verteidigen musste.
Ross lächelte amüsiert. „Das brauche ich auch nicht, denn dafür sorgst du schon.“ Dann wurde er ernst. „Ursula, bitte sag mir jetzt ganz offen, was für dich so schrecklich war – oder möchtest du weiter die Mimose spielen?“
„Das tu ich doch gar nicht!“
„Gut, dann erzähl, ich bin ganz Ohr.“
„Die Hochzeit war nicht schrecklich. Ganz im Gegenteil.“ Ursula schloss die Augen und lehnte den Kopf zurück. „Ich wusste gar nicht, dass ich so viele Verwandte habe! Wir waren alle in einem großen, alten Landgasthof untergebracht, der aus dem Bilderbuch hätte stammen können. Gleich am ersten Abend griff jemand zur Geige, und es wurde gesungen. Komischerweise konnte ich mit einstimmen, obwohl ich die Lieder noch nie zuvor gehört hatte.“
„Wahrscheinlich doch. Du wirst diese Lieder als kleines Mädchen mit deiner Mutter gesungen haben, und sie werden in deinem Unterbewusstsein weitergelebt haben. Durch die besonderen Umstände sind dir die Melodien plötzlich wieder eingefallen.“
Das war eine Erklärung, die sie überzeugte, und Ursula nickte. „Die Trauung selbst war ergreifend feierlich …“
„Und, hast du geweint?“
„Natürlich, das gehört doch dazu! Amber sah wunderschön aus.“ Sie seufzte verträumt. „Einfach unbeschreiblich schön. Aber am schönsten waren ihre Augen, die vor Glück strahlten – das haben übrigens alle gesagt. Und auch bei Finn war er zu sehen, dieser Ausdruck vollkommenen Glücks.“
„Wie schön für die beiden! Es muss ja die reinste Märchenhochzeit gewesen sein.“
Ursula fragte sich, ob Ross zynisch oder einfach nur neidisch war. Wie seine Hochzeit wohl gewesen sein mochte? Eine völlig ungerechtfertigte Eifersucht versetzte ihr einen schmerzhaften Stich. „Es war wirklich eine Märchenhochzeit“, bestätigte sie daher eifrig, um auf andere Gedanken zu kommen. „Jemand hatte eine Sofortbildkamera, deshalb habe ich sogar schon einige Fotos dabei.“
„Die würde ich gern sehen.“
„Gern.“ Ursula überlegte, warum ihr das Herz dabei bis zum Hals klopfte. Schließlich hatte er sie nur gebeten, ihr einige Schnappschüsse von einem Familienfest zu zeigen. Ross beugte sich vor, um den CD-Player einzuschalten, und ein alter Song der Beatles erklang, der genau zu ihrer sentimentalen Stimmung passte.
Sie war sich seiner Nähe überdeutlich bewusst und spürte beinah körperlich, dass es zwischen Ross und ihr vor Spannung knisterte. Anscheinend hatte der Kuss an jenem heißen Sommertag die Beziehung zwischen ihnen ein für alle Mal verändert – aber vielleicht machte sie sich auch nur Illusionen, denn nüchtern betrachtet schien Ross ganz der Alte zu sein.
Ursula hatte fest damit gerechnet, dass er zu sich nach Hause fahren würde, und war deshalb grenzenlos enttäuscht, als er vor ihrer Wohnung hielt.
„Vielen Dank, Ross“, sagte sie nervös. „Es war wirklich nett von dir, dass du mich abgeholt hast und ich den langen Weg nicht allein machen musste.“ Ich klinge wie ein unreifer Teenager, schalt sie sich, kaum dass sie den Satz beendet hatte.
Ross schaltete den Motor ab. „Möchtest du mich nicht zu dir hineinbitten?“
Endlich hatte er den Satz ausgesprochen, den er in ihren Träumen schon unzählige Male gesagt hatte. Doch anstatt sich darüber zu freuen, geriet Ursula in Panik. „Es ist nicht aufgeräumt“, wehrte sie ab.
Er
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