Julia Festival Band 0103
gestand Ursula schließlich. „Wahrscheinlich lag es an der Hitze und so …“
„Du glaubst also, wenn ich dich jetzt küssen würde, wäre es anders, gefühlloser und nicht so berauschend?“
Sie schluckte. „Ich bin mir nicht sicher“, log sie.
„Du bist dir hundertprozentig sicher, Ursula, du hast nur Angst …“
Ein durchdringender Piepton ließ ihn verstummen, und es dauerte einen Moment, ehe Ursula begriffen hatte, dass auf Ross’ Handy eine SMS eingegangen war.
„Super, gerade jetzt, da das Gespräch interessant wird!“ Ross lächelte ironisch. „Das ist ja wirklich perfektes Timing. Hätte ich das blöde Ding bloß abgeschaltet!“
Ursula war so aufgeregt, dass sie nicht wusste, ob sie sich über die Unterbrechung freuen oder ärgern sollte. „Gut, dass du es nicht getan hast“, beruhigte sie ihn. „Vielleicht möchte Katy etwas von dir.“
Ross warf ihr einen Blick zu, der zeigte, dass er ihr für ihr Verständnis dankbar war, und zog das Handy aus der Gürteltasche. „Wie immer hast du recht, Ursula, und das ärgert mich.“ Er seufzte und blickte auf das Display.
„Bitte Sophie-Jos Mutter anrufen“, las er laut, runzelte die Stirn und tippte sofort die Nummer ein. „Wahrscheinlich hat Katy wieder einmal etwas vergessen.“
Und du wirst es ihr, ohne zu murren, hinterherbringen, dachte sie. Katy konnte ihren Vater um den kleinen Finger wickeln, und das machte Ross für sie, Ursula, noch liebenswerter.
„ Was hat sie gemacht?“, fragte er derart laut und heftig, dass sie sofort in die Gegenwart zurückkehrte. Anders als sonst wirkte er plötzlich verkrampft – er musste schlechte Nachrichten erhalten haben! Ihr Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen.
„Du meine Güte!“, rief er. „Nein. Nein. Nein, Sie brauchen sich wirklich keine Vorwürfe zu machen, Sie konnten es ja nicht wissen. Ich bin sofort da.“ Mit einem grimmigen Lächeln steckte Ross das Handy wieder in die Tasche.
„Was ist passiert?“, fragte sie atemlos.
„Jane.“ Seine Stimme klang ausdruckslos. „Sie ist plötzlich aufgetaucht, um sich – wie wäre es anders zu erwarten gewesen? – wieder einmal äußerst effektvoll in Szene zu setzen.“
„Jane? Zurück?“ Ursula konnte es nicht fassen. „Seit wann denn? Sie hat dich doch gar nicht benachrichtigt, oder?“
Ross schien durch sie hindurchzublicken. „Jane hat Katy bei Sophie-Jo abgeholt“, antwortete er matt.
Sie wurde blass vor Schreck. „Und wohin ist sie mit ihr gegangen?“
„Das ist völlig unklar. Sophie-Jos Mutter weiß es auch nicht. Ich fahre gleich zu ihr.“
„Ich komme mit“, erbat sie sich sofort.
Ross widersprach nicht, er schien überhaupt kaum wahrzunehmen, was um ihn her passierte. Ihr ging es nicht anders. Wie in Trance räumte sie den Tisch ab und schloss die Terrassentür. Als sie aus der Küche kam, legte er gerade den Telefonhörer wieder auf. Ohne zu fragen, wusste sie, dass Jane mit Katy nicht zu ihm nach Hause gegangen war. Sein Gesicht wirkte wie versteinert, und seine Hände zitterten.
Ursula betrachtete ihn zweifelnd. „Meinst du, dass du fahren kannst?“
„Natürlich kann ich das!“, antwortete er unfreundlich. „Und selbst wenn ich dazu nicht in der Lage wäre, könntest du mir auch nicht helfen! Du hast dich ja nie dazu aufraffen können, den Führerschein zu machen!“
Seine Worte und sein Tonfall verletzten sie tief. Sie ließ sich jedoch nichts anmerken, sondern schluckte ihren Schmerz und ihre Wut hinunter. Ihre Ausgeglichenheit war die Eigenschaft, die Ross so an ihr bewunderte. Er hatte sich bisher stets auf sie verlassen können, und das sollte so bleiben, besonders in der gegenwärtigen Notsituation.
Auch ihre Neugier musst sie jetzt bezähmen, denn es wäre unpassend gewesen, das Thema jetzt noch einmal anzuschneiden, obwohl sie es zu gern getan hätte. Sie musste stark sein, stark für Ross und für Katy …
Während der ganzen Fahrt erging sich Ross in den bittersten Selbstvorwürfen, und Ursula ließ ihn gewähren.
„Warum habe ich das nur getan?“, fragte er verzweifelt.
„Was?“
„Meine Tochter im Stich zu lassen, nur um dich abzuholen!“
Wenn es ihm nur um das Abholen gegangen wäre, hätte er mir auch den Firmenwagen mit einem Fahrer schicken können, dachte sie. „Das ist doch eine Riesenübertreibung, Ross!“
„Nein!“
„Ross, sei vernünftig! Katy zu ihrer besten Freundin und deren Mutter zu bringen, kann man wohl kaum als ‚im Stich lassen‘
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