Julia Festival Band 0103
sich doch nur anders hinsetzen würde!, dachte Luke. Es war jedoch nur ein halbherziger Wunsch, denn Holly bot ein hinreißendes Bild. Der ohnehin schon sehr kurze Rock ihres Kleides war hochgerutscht und entblößte ihre langen, schlanken Beine fast völlig.
Luke suchte fieberhaft nach einem unverbindlichen Gesprächsthema. „Fühlen Sie sich hier schon wie zu Hause?“, fragte er nach längerem Überlegen.
„Wenn Sie hier sind, ja“, antwortete Holly spontan.
Luke schluckte. Wusste sie denn nicht, dass sie mit dem Feuer spielte? Ihre Haltung, ihre grünen Katzenaugen forderten ihn geradezu dazu auf, sie in die Arme zu reißen und zu küssen. „So?“, war alles, was ihm dazu zu sagen einfiel.
Holly zuckte die Schultern, leerte ihr Glas und stellte es auf dem Couchtisch ab. „Ich habe mich einfach an Sie gewöhnt. Es war so einfach, mit Ihnen zusammenzuleben, so harmonisch und kultiviert.“
„Kultiviert?“ Er lachte.
Holly nickte nachdrücklich. „Ja, kultiviert. Als Studentin habe ich in Wohngemeinschaften gelebt, wo immer Unordnung herrschte und wo nie richtig geheizt wurde. Als Kind habe ich in diversen Häusern gelebt, in denen ich nur deshalb geduldet war, weil die jeweiligen Besitzer wussten, dass sie meine Mutter nur mit mir als Anhängsel bekamen. Nirgends habe ich mich heimisch gefühlt. Ich dachte, richtige Häuser, in denen richtige Familien wohnten, die sich alle zusammen an einen Tisch setzten, um richtige Mahlzeiten zu essen, würde es nur in Märchen geben.“ Sie schwieg. „Sie und Apson House haben mir gezeigt, dass es so etwas wirklich gibt“, fügte sie dann leise hinzu.
Für Luke war Holly ein Rätsel. Wusste sie, was für eine unwiderstehliche Mischung ihre vertrauensvollen, mädchenhaften Worte und ihre aufreizend sinnlichen Bewegungen waren? Nutzte sie ihre Wirkung auf Männer raffiniert aus? Welches war die echte Holly Lovelace?
Wusste sie, wie sehr sie ihn erregte? Sah sie, dass seine Hände vor Erregung zitterten? Luke riss sich zusammen. „Ich kann Sie verstehen“, antwortete Luke schließlich. „Auch ich hatte die beste Erziehung, die man für Geld kaufen kann.“
„Erzählen Sie!“
Luke hatte die Erfahrung machen müssen, dass Frauen an einem Mann nur die Muskeln und seine gesellschaftliche Stellung interessierten. Geschichten über einen bedauernswerten und verschreckten kleinen Jungen wollten sie nicht hören. Deshalb und weil er wusste, wie gefährlich es war, sein Innerstes nach außen zu kehren, schüttelte er den Kopf.
„Jeder weiß, wie es in englischen Internaten zugeht“, erwiderte er ausweichend.
„Ich nicht, denn ich habe nie eins besucht.“
Er zuckte die Schultern. „Internate sind nicht schlecht, nur anders als normale Schulen.“
Holly lächelte. „Keine Ausflüchte. Erzählen Sie!“
„Wovon? Von der Einsamkeit? Der mangelnden menschlichen Wärme? Der fehlenden Intimsphäre? Dem schlechten Essen und den ungeheizten Schlafsälen? Soll ich Ihnen den morgendlichen Geländelauf beschreiben, und wie wir anschließend eiskalt duschen mussten?“
„Dann waren Sie ja wohl ganz schön abgehärtet, oder?“, bemerkte Holly gedehnt und blinzelte ihm zu.
Das war das Letzte, was Luke erwartet hätte. Er hatte mit einer gefühlvollen, vielleicht sogar sentimentalen Reaktion gerechnet, nicht aber mit ihrem spielerischen Ton und diesem Augenaufschlag. Schlagartig war ihm klar, wohin die Unterhaltung führen würde, wenn er sich nicht sofort etwas einfallen ließ.
Er räusperte sich. „Wie wär’s mit Kaffee?“, fragte er.
Kaffee? Holly traute ihren Ohren nicht. Sie wollte mehr als Kaffee, sie wollte ihn , seit sie Luke das erste Mal gesehen hatte, wollte sie das.
Sie hatte geglaubt, dass auch er etwas für sie empfand. Oder hatte sie sich nur eingebildet, dass sich seine Augen manchmal vor Begehren verdunkelten? Hatte die harmonische Zeit in Apson House sie dazu verleitet, in ihm mehr als nur einen Freund zu sehen?
Sie bemühte sich nach Kräften, ihre Unsicherheit zu überspielen, und stand ruhig und äußerlich gelassen auf.
„Dann also Kaffee“, sagte sie, ging aber nicht in die Küche, sondern blieb vor dem Sessel stehen und blickte Luke fragend an.
Er war im Laufe seines Lebens schon oft mit Hunger, Schmerz und Gefahr konfrontiert worden. Immer war er damit fertiggeworden, weil seine entbehrungsreiche Kindheit ihn gelehrt hatte, einen eisernen Willen zu entwickeln. Jetzt jedoch war Luke überfordert.
Langsam hob er die Hand und
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