Julia Festival Band 0103
Aus alter Gewohnheit blickte sie dabei kurz auf, um das Schaufenster einer kritischen Musterung zu unterziehen.
Was war denn das?
Krampfhaft umschlossen ihre Finger das Schlüsselbund. Holly kniff die Augen zusammen und trat näher an das Fenster, um das Kleid, von einem einzigen Strahler effektvoll beleuchtet, näher zu betrachten. Auf den ersten Blick wirkte alles wie immer – und doch war etwas anders.
Das Kleid! Es war ihr Kleid, und es war es doch nicht!
Mit unsteten Händen schloss sie die Tür auf und trat ein. Wie im Traum ging Holly in dem Dämmerlicht des Ladens zu dem Kleid und berührte es. Ihre Ahnung bestätigte sich: Es war das Kleid ihrer Mutter, das aus sehr viel kostbarerem Stoff gefertigt war. Das Kleid, das Holly entworfen hatte, war wunderschön, aber dieses Kleid war einfach einmalig!
„Gefällt es dir?“, ließ sich eine Stimme aus dem Dunkel vernehmen.
Holly erschrak nicht, denn sie wusste sofort, wer es war. Sie drehte sich noch nicht einmal um. Erst als Luke dicht hinter sie getreten war, sprach sie. „Wo hast du es gefunden?“, wollte sie wissen.
„Das ist eine lange Geschichte.“
Endlich drehte sich Holly zu ihm um – und war plötzlich ihren Gefühlen hilflos ausgeliefert. Sie hatte Luke so vermisst! Aber die Lage war aussichtslos, denn Luke gehörte einer anderen. Sie wich seinem Blick nicht aus. „Wie du reingekommen bist, brauche ich wohl gar nicht erst zu fragen.“
Er zuckte die Schultern. „Als Hausbesitzer habe ich natürlich auch einen Zweitschlüssel.“ Er musterte sie eingehend. „Habe ich dich überrascht?“
Sie dachte nach. „Um dir diese Frage zu beantworten, müsste ich lügen.“
Holly schien Luke zum Umfallen erschöpft zu sein. Nüchtern stellte er fest, dass ihre Stimme weder herzlich noch ablehnend klang.
„Hast du abgenommen, Luke?“ Holly runzelte die Stirn.
„Ja. Mir ist in letzter Zeit irgendwie der Appetit abhanden gekommen.“
Dann ist es dir wie mir ergangen, dachte Holly. „Oh“, antwortete sie jedoch nur. Sie verbat sich, Luke nach den Gründen zu fragen, denn sonst würde er vielleicht noch annehmen, dass sie sich für sein Wohlergehen interessiere oder ihm vielleicht sogar verziehen habe.
Prüfend sah er sie an. „Möchtest du die Geschichte von dem Kleid hören?“
So einfach wollte sie ihn nicht davonkommen lassen. „Viel lieber möchte ich die Geschichte von Caroline hören.“
Er nickte. „Das habe ich mir schon gedacht. Aber ich würde mich dazu gern gemütlich hinsetzen. Wohin sollen wir gehen?“
„Hast du vielleicht an den Ankleideraum gedacht?“ Diese spöttische Bemerkung hatte sich Holly nicht verkneifen können.
Luke verbat es sich, darauf einzugehen und zu antworten, dass er nichts lieber als das tun würde. „Vielleicht nach oben?“, schlug er ungerührt vor.
„Ich dachte, dir würde meine Wohnung nicht gefallen“, gab sie spitz zurück.
Luke hatte sich darauf gefasst gemacht, dass diese Begegnung sehr schwer werden würde und dass er Holly behutsam behandeln musste, um ihre Gefühle zu schonen und sie nicht gegen sich aufzubringen. Dennoch musste er seine letzten Willenskräfte mobilisieren, um sie nicht einfach in die Arme zu reißen und bis zur Besinnungslosigkeit zu küssen.
„Ich mag deine Wohnung sehr gern, Holly. Aber wenn du möchtest, können wir auch einen Spaziergang machen. Der Mond scheint, und es ist noch angenehm warm.“
Sie zögerte. „Dann komm schon.“ Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, ging sie die Treppe hoch.
„Woher wusstest du eigentlich, dass ich heute komme? Morgen ist schließlich Sonntag.“
„Ich wusste, dass du heute das Los ziehen wolltest.“
Holly nickte und freute sich, dass er sich auf ihr Wort verlassen hatte. Aber so richtig ernst hatte er sie doch nicht genommen, denn sie hatte ihm ja auch gesagt, dass sie ihn nie wiedersehen wollte! Sie setzte sich aufs Sofa und wappnete sich gegen den Blick seiner faszinierend blauen Augen, gegen ihr Verlangen, mit den Händen durch sein Haar zu fahren und seinen unwiderstehlichen Mund zu küssen.
„Ich nehme an, du hast etwas dagegen, wenn ich mich neben dich setze?“, fragte er.
„Allerdings. Dein höfliches Benehmen kommt etwas spät, Luke“, antwortete sie, kam sich aber dann doch recht zickig vor. „Du kannst dich ganz ans andere Ende setzen“, erlaubte sie daher großzügig. „Aber rück bitte nicht näher.“
Luke ließ sich aufs Sofa fallen und streckte die Beine aus. Er wandte den Kopf
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