Julia Festival Band 0103
ihre Mutter und zündete sich eine Zigarette an.
„Nein.“ Holly wedelte mit der Hand, um den Rauch in eine andere Richtung zu lenken. „Aber heute, Punkt Mitternacht, werde ich das Los ziehen. Das habe ich meinen Kundinnen versprochen.“
„Egal.“ Hollys Mutter machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das sieht doch sowieso keiner. Mach es morgen und bleib noch hier. Du weißt doch, heute findet hier ein großer Ball statt.“
„Für mich wäre es Betrug, wenn ich mich nicht an die Abmachungen hielte. Außerdem möchte ich dir nicht den Spaß verderben, Mum.“
„Darling, ich gebe zu, dass ich nie eine gute Mutter gewesen bin.“ Sie schenkte sich nach.
Holly seufzte, denn sie wusste, dass ihre Mutter nach einem guten Mittagessen zur Melancholie neigte. „Du hast dein Bestes gegeben, Mum, mehr geht eben nicht. Du bist du, und ich bin ich.“ Sie schluckte. „Und du kannst nun wirklich nichts dafür, dass ich mich in den unmöglichsten Schuft auf Gottes Erde verlieben musste.“
„Meinst du diesen Luke? Den Mann, über den du mir außer ein paar dunklen Andeutungen nichts erzählen willst?“
„Ja.“ Holly blickte trübsinnig in ihr leeres Glas.
„Du machst mir wirklich Kummer, Darling. Jahrelang interessierst du dich überhaupt nicht für Männer, dann kommt endlich einer, der dir gefällt, und du schweigst dich aus!“
„Es gibt nichts, was ich dir erzählen könnte. Er ist gegangen, wahrscheinlich zurück nach Afrika. Es ist aus und vorbei.“
Ihre Mutter zuckte die Schultern. „Männer!“, sagte sie nur abschätzig und blickte resigniert ihrem Ehepartner entgegen, der seine kurze, gedrungene Gestalt durch die Tischreihen schob, um zu ihnen zu gelangen. „Aber sie verleihen einem Sicherheit und Stabilität, wenn man älter wird. Darüber solltest du einmal nachdenken, Darling.“
Holly lief es kalt den Rücken hinunter, als sie ihrem Stiefvater entgegenblickte.
Nein, ehe sie sich von einem solch unsympathischen, neureichen Widerling abhängig machte, würde sie sich lieber allein durchs Leben schlagen!
Einige Stunden später hatte sie ihren Koffer gepackt und fuhr mit dem alten Käfer Richtung Woodhampton. Der Gebrauchtwagenhändler, den Luke ihr empfohlen hatte, hatte Anfang des Monats noch einmal angerufen, um sein Angebot zu erneuern. „Diese Autos sind im Moment groß in Mode“, hatte er ihr gesagt und eine Summe geboten, die Holly unangemessen hoch erschien.
Natürlich, das Geld würde sie gut gebrauchen können, aber sie hing an ihrem Auto, und es würde ihr sehr schwerfallen, sich davon zu trennen. Sie hatte Luke schon nicht bekommen können – sollte sie denn auf alles verzichten, woran ihr Herz hing?
Holly trat das Gaspedal durch. Wie rücksichtslos Luke sich auch benommen hatte, mit jedem Tag vermisste sie ihn mehr, und je länger sie über die Vergangenheit nachdachte, desto verständlicher wurden ihr seine Reaktionen. Er hatte ihr zwar Caroline verschwiegen, sich ihr, Holly, gegenüber während der zwei Wochen in Apson House aber so benommen, wie es sich für einen Mann gehörte, der anderweitig versprochen war.
Luke und sie waren sich während dieser Zeit zwar sehr nah gekommen, doch auf rein freundschaftlicher Ebene. Holly musste zugeben, dass Luke sie kein einziges Mal berührt hatte – was bestimmt nicht einfach für ihn gewesen war, da sie ihm ihre Bereitschaft, sich mit ihm einzulassen, ja mehr als deutlich signalisiert hatte.
Und der Abend, den sie nach der Ladeneröffnung in ihrer Wohnung verbracht hatten? Was war denn schon passiert, außer dass er ihr Bein gestreichelt und sie geküsst hatte? Das war zwar für einen verlobten Mann nicht ganz korrekt gewesen, stellte aber auch kein Verbrechen dar und ließ sich mit dem Alkohol und der ausgelassenen Partystimmung, die den ganzen Tag geherrscht hatte, erklären.
Es war schon spätabends, als Holly Woodhampton erreichte. Kurz vor Apson House drosselte sie die Geschwindigkeit auf ein Minimum, um zu sehen, ob vielleicht irgendwo Licht brannte. Aber das Haus lag in völliger Dunkelheit. Holly seufzte resigniert und fuhr weiter zum Laden.
Luke war also nicht zurückgekommen und würde es wahrscheinlich auch nie wieder tun. Er zog das Leben in Afrika vor, und bestimmt hatte er sich inzwischen mit Caroline ausgesöhnt, und die beiden planten jetzt eine abenteuerliche Hochzeitsfeier mit Grill und Lagerfeuer mitten im Nationalpark.
Holly stand vor der Ladentür und suchte in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel.
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