Julia Festival Band 0105
von Jennys Stereoanlage. Es gab auch keine Diskussion darüber, wann Jenny an Wochentagen ins Bett gehen sollte. Damit musste sich jetzt Lindas Mutter befassen.
Obwohl Chessie nicht besonders hungrig war, bereitete sie sich Toast und Bohnen zu. Danach stellte sie die Speisepläne für die kommenden Wochen zusammen.
Ohne den Wagen würde sie nicht in die großen Supermärkte fahren können, aber Miles bevorzugte sowieso die Geschäfte im Ort und hatte dort Konten für sie eingerichtet. Sie brauchte lediglich ihre Bestellung abzugeben, und später am Tag würden dann Fleisch, Gemüse und Lebensmittel ins Haus geliefert.
Dadurch blieb ihr genug Zeit für eigene Besorgungen. Miles’ Bemerkungen über ihre Garderobe waren zwar kränkend, aber dennoch zutreffend gewesen. Chessie kaufte sich nur selten neue Sachen, und wenn sie es tat, achtete sie eher auf Qualität als auf Modetrends. Wenn sie sich jedoch um einen gut bezahlten Job mit Aufstiegsmöglichkeiten bewerben wollte, musste sie mehr Wert auf ihr Äußeres legen.
Nachdem sie das Geschirr weggeräumt hatte, nahm sie ein heißes Bad, wusch sich das Haar und gönnte sich eine Maniküre. Danach versuchte sie, den Roman zu lesen, den sie sich ausgeliehen hatte, doch die Geschichte langweilte sie. Sie schaltete das Radio ein, aber die Musikprogramme gefielen ihr nicht.
Vielleicht sollte sie früh ins Bett gehen. Vorher musste sie sich allerdings vergewissern, dass alle Fenster und Türen im Haus geschlossen waren. Normalerweise war es Miles’ Aufgabe. Im Erdgeschoss war alles verriegelt, trotzdem ging sie nach oben, um sich zu überzeugen, dass Miles vor der Abreise sein Schlafzimmerfenster zugemacht hatte. Er hatte nämlich die Angewohnheit, dies zu vergessen.
So auch heute. Barfuss lief sie über den dicken Teppich zum Fenster und schloss es. Dann schaute sie sich um.
Zu Lebzeiten ihres Vaters hatte es hier viele Dekorationsgegenstände und Bilder gegeben, denn er hatte nach dem Tod ihrer Mutter nichts verändert. Doch jetzt war das Zimmer so kahl wie eine Klosterzelle. Es wirkte streng und sachlich bis auf das breite Bett mit der dunkelgrünen Tagesdecke.
Einem Impuls folgend, ging Chessie zum Bett hinüber und erinnerte sich daran, wie Miles aussah, wenn er schlief. Sie stellte sich seinen Kopf mit dem dunklen Haar auf dem Kissen vor. Sie beugte sich vor und strich mit der Hand über den makellos glatten Stoff. Dabei stieg ihr der schwache Duft von Rasierwasser in die Nase. Erschrocken wich sie einen Schritt zurück. Sekundenlang hatte sie das Gefühl gehabt, er sei da und hätte sie neben sich auf das Bett gezogen.
Das war natürlich Unsinn, denn Miles war weit weg. Er lag in einem anderen Bett und in einem Raum, den sie nie gesehen hatte. Und vielleicht war er auch nicht allein …
Wer immer das Bett mit ihm teilt, ob in London oder hier, ich werde es nicht sein, nahm sie sich fest vor.
Doch sie kam sich so einsam und verloren, so isoliert in dem großen Haus vor, dass sie fast vor Schmerz gestöhnt hätte. Möglicherweise würde es sie etwas trösten, in seinem Bett zu schlafen. Niemand würde es jemals erfahren.
Chessie streifte den Bademantel ab und ließ ihn auf den Boden fallen. Dann schlüpfte sie vorsichtig unter die Decke, barg das Gesicht in dem Kopfkissen und atmete tief den vertrauten Duft ein. Allmählich ließen die Anspannung und das Zittern nach, und grenzenloser Friede erfüllte sie.
Als Chessie erwachte, schien die Sonne durchs Fenster. Es dauerte einen Moment, bis Chessie sich erinnerte, wo sie war. Erschrocken richtete sie sich auf und blickte auf die Nachttischuhr. Sie hatte verschlafen!
„O nein!“ Sie sprang aus dem Bett und zog den Bademantel über.
Wenn nun Jenny früher zurückgekehrt war und sie nicht gefunden hatte? Oder wenn Mrs. Chubb früher zur Arbeit gekommen war? Wie sollte Chessie dann ihr ungewöhnliches Verhalten erklären?
Ich begreife mich ja selbst nicht, dachte sie, während sie die Spuren der Nacht beseitigte. Allerdings hatte sie so gut geschlafen wie seit Monaten nicht mehr.
In ihrer Wohnung duschte sie rasch und zog einen dunkelblauen Rock mit einer weißen Bluse an. Bevor sie ihr Zimmer verließ, legte sie den Aquamarinring in das Kästchen und versteckte es in einer Schublade.
Mrs. Chubb wäre der Ring sogleich aufgefallen und sie hätte sie einer hartnäckigen Befragung unterzogen, der Chessie sich nicht gewachsen fühlte.
„Ah ja, er ist nach London gefahren“, wiederholte Mrs. Chubbs später,
Weitere Kostenlose Bücher