Julia Festival Band 0105
lieber in London leben. Oder ich gehe zurück nach Amerika, sofern sich dort eine passende Gelegenheit bietet.“
Sie bemerkte seinen herausfordernden Blick. Vermutlich wartete er darauf, dass sie ihn bat, sich alles noch einmal zu überlegen. Und sie geriet sogar einen Moment lang ernsthaft in Versuchung, es zu tun. Dies war immerhin Alastair, um den alle Hoffnungen und Sehnsüchte ihrer Mädchenzeit gekreist waren. Sie hatte ihn früher sehr gern gehabt. Vielleicht könnte es wieder so sein, sobald sie die Schwäche für Miles überwunden hatte.
Alastair schien mehr als geneigt, die Beziehung zu erneuern, und sie fragte sich, warum sie sich ihm nicht anvertraut hatte. Sie hätte ihm ihre Ängste um Jenny ebenso schildern können wie die instinktive Abneigung, die sie für Zak empfand. Immerhin kannte Alastair ihre Schwester seit der Kindheit und wusste sicher Rat.
Chessie musste etwas unternehmen. Es war nicht nur Zaks Äußeres, das ihr Unbehagen bereitete. Tätowierungen und Piercings waren modern, und sein ordinäres Gehabe beeindruckte vermutlich junge naive Mädchen.
Nein, es war etwas anderes, was sie störte und ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Es hatte etwas mit seiner Körpersprache oder seiner Haltung zu tun.
„Darf ich mit reinkommen?“ Alastair hielt vor Silvertrees an. „Ich würde dem Bräutigam gern gratulieren.“
„Er ist leider ziemlich beschäftigt.“ Chessie wusste selbst nicht, warum sie Miles’ Abwesenheit verschwieg. Sie ahnte allerdings, dass er es nicht schätzen würde, wenn sie Alastair ins Haus einlud. „Außerdem sehen wir uns ja Samstagabend“, fuhr sie fort. „Deine Stiefmutter hat uns zum Essen eingeladen.“
„So?“ Seine Überraschung war echt. „Das ist mir neu.“
„Befürchtest du, Gäste könnten deinen Vater überanstrengen?“
„Ich weiß gar nicht, ob er Gäste überhaupt bemerken würde. Er ist in einem sehr schlechten Zustand, Chessie. Und gerade jetzt, da ich dich brauche, gehörst du zu einem anderen.“
„Die Zeiten ändern sich. Noch vor einer Woche schien ich niemandem wichtig zu sein. Ich bin es nicht gewohnt, so begehrt zu werden.“
Alastair nahm ihre Hand. „Falls du dich jemals anders besinnst, bin ich für dich da. Vergiss das nicht, Liebes.“ Er küsste ihre Handfläche. „Und nun geh rein, bevor er misstrauisch wird.“
Am liebsten hätte sie ihm ihre Finger entzogen, aber sie wartete, bis er sie losließ. Nachdem sie sich für das Mitnehmen bedankt hatte, holte sie ihre Sachen aus dem Kofferraum und ging ins Haus.
Sie wünschte, Miles wäre hier, ob misstrauisch oder nicht. Er war der Einzige, dem sie von Jenny erzählen konnte. Er würde sie verstehen.
Sie wollte seine Stimme hören. Er sollte ihr versichern, dass Jenny nur aus Trotz oder dergleichen mit Zak zusammen war, um damit gegen irgendetwas zu rebellieren. Chessie wollte hören, dass die Schwärmerei genauso schnell vorüber wäre, wie sie begonnen hatte, und keinen Schaden anrichten würde.
Ich könnte mit ihm sprechen, ihn in der Wohnung anrufen und ihm berichten, was passiert ist, überlegte sie. Sie konnte sich die Ängste und Sorgen von der Seele reden und sich trösten lassen.
Sie ging ins Arbeitszimmer, suchte die Nummer heraus und wählte sie. Ungeduldig lauschte sie dem Freizeichen.
Und dann meldete sich eine Frauenstimme. „Hallo?“
Chessie glaubte, sie hätte sich verwählt. Sie wollte sich entschuldigen, brachte aber kein Wort heraus.
„Hallo?“, wiederholte die Stimme. Dann: „Miles, es ist niemand dran.“
Chessie ließ den Hörer fallen, als hätte sie sich verbrannt.
7. KAPITEL
Was habe ich eigentlich erwartet?, fragte sich Chessie, während sie Zwiebeln schälte. Miles war ein Mann und hatte, wie sie wusste, ganz normale männliche Bedürfnisse. Er hatte nie behauptet, ein Mönch zu sein.
Es geht mich nichts an. Diese Worte hatte sie sich am vergangenen Tag und in zwei schlaflosen Nächten immer wieder eingehämmert.
Misstrauen war eine Sache. Es jedoch bestätigt zu finden, war etwas völlig anderes. Mit dieser Enttäuschung wurde Chessie kaum fertig. Wie sollte sie sich verhalten, wenn Miles zurückkam? Der Brief in dem cremefarbenen Umschlag stammte natürlich von der Frau in seinem Leben. Wahrscheinlich hatte sie ihm ein Treffen vorgeschlagen. Nach seinem überstürzten Aufbruch zu urteilen, hatte er begeistert zugestimmt.
Wenn es jedoch eine andere Frau in seinem Leben gab, warum hatte er Chessie dann gebeten, ihn
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