Julia Festival Band 0105
nicht.“
„Nein? Trotzdem hat sie alles, was man für Geld kaufen kann, während du aussiehst, als würdest du dich im Secondhandladen einkleiden.“
Sie atmete tief durch. „Wie kannst du nur …?“
„Ich kann es, weil es die Wahrheit ist“, erklärte er ausdruckslos. „Pausenlos versuchst du, Jenny für etwas zu entschädigen, das du nicht verschuldet hast. Es ist Zeit, dass du sie ins Leben entlässt und dich um dich selbst kümmerst. Oder jemanden zu finden, der dir das abnimmt. Du kannst sie nicht ewig bevormunden. Sie muss ihre eigenen Fehler machen können. Jenny ist nicht das erste Mädchen, das einen unpassenden Freund hat. Ich schätze, es ging auch um ihn bei dem Streit, oder?“
„Sie hat ihn vor einigen Wochen in der Disco kennengelernt und nie ein Wort darüber verloren. Er ist nicht einmal einer ihrer Mitschüler, sondern ein Automechaniker namens Zak.“
„Dann kann er es sich leisten, sie in Pubs wie das White Hart auszuführen. Das macht garantiert einen Teil seiner Anziehungskraft aus. Hinzu kommt die Tatsache, dass du ihn missbilligst. Das macht ihn zu einer verbotenen Frucht, und verbotene Früchte schmecken bekanntlich am süßesten. Für mich klingt das alles ganz normal.“
„Ich dachte, Jenny und ich hätten eine besondere Beziehung“, protestierte Chessie.
„Sie sucht einen eigenen Weg, und das solltest du auch tun.“ Miles zögerte. „Wie hat sie auf unsere Verlobung reagiert?“
„Nicht besonders gut.“
„Auch keine Überraschung. Vielleicht hilft meine Abwesenheit ein wenig. Gib Jenny eine Chance, sich zu fangen.“
„Deine Schwester kommt zu Besuch“, erinnerte sie ihn.
„Das habe ich nicht vergessen. Ich bringe sie mit, wenn ich zurückkomme.“
Sie folgte ihm in die Halle und fühlte sich seltsam verloren. „Hast du einen Wunsch, was das Essen betrifft?“
„Das überlasse ich dir. Aber arbeite nicht zu viel. Nimm dir frei, und entspann dich. Betrachte es als einen Bonus.“ Er lächelte. „Samstagabend brauchst du übrigens nicht zu kochen. Deine Freundin, Lady Markham, hat vorhin angerufen und uns zu sich eingeladen. Darauf kannst du dich freuen“, fügte er spöttisch hinzu.
„O ja.“
„Ich bin Freitagnachmittag wieder hier. Probleme dürfte es während meiner Abwesenheit eigentlich nicht geben.“
Außer dass ich dich nicht wegfahren lassen möchte, und das macht mir Angst, überlegte sie. Sie begleitete Miles zum Auto und kehrte dann ins Haus zurück. Leere und Stille umfingen sie.
Sie war so daran gewöhnt, dass er hier war. Er war ein Teil von allem geworden, was sie tat. Und nun war er weg. Am liebsten wäre sie in Tränen ausgebrochen.
6. KAPITEL
Chessie saß auf der untersten Treppenstufe und versuchte, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. Sie war verängstigt, verwirrt und außerstande, ihre Reaktionen zu verstehen.
Es hatte ihr das Herz schwer gemacht, mit ansehen zu müssen, wie Miles wegfuhr.
Nach Alastairs Abreise hatte sie nächtelang geweint, aber es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, ihren Stolz zu vergessen und Alastair zu bitten, hierzubleiben. Und genau das hätte sie vor wenigen Minuten am liebsten bei Miles getan.
Ich hätte ihn angefleht, wenn die geringste Aussicht auf Erfolg bestanden hätte, dachte sie verwundert.
Miles hatte sie geküsst, bis sie in seinen Armen dahingeschmolzen war, hatte ihr einen Ring gekauft und sie dann verlassen. Sie konnte sich sein Verhalten nicht erklären – und erst recht nicht ihre Verzweiflung darüber.
Er hatte ihr Zeit zum Nachdenken gegeben, und jetzt empfand sie nichts anderes als Leere und Trostlosigkeit. Drei Nächte, zwei Tage und einen Vormittag würde es dauern, bis sie ihn wiedersah.
Ich sollte die Zeit und seine Abwesenheit nutzen, um mich auf die Zukunft vorzubereiten, auf den Tag, wenn ich durch diese Tür gehe und nicht mehr zurückschaue, mahnte sie sich.
Möglicherweise kam Miles gar nicht zurück. Vielleicht hatte er entschieden, dass er sich nicht mit ihren Problemen befassen oder diese Scharade fortsetzen wollte, und sei es auch für begrenzte Zeit. Am Ende plante er, wegzubleiben, bis der Monat vorbei war.
Er hatte ihr geraten, nicht zu arbeiten, sondern auszuspannen und seine Abwesenheit als Urlaub zu betrachten, doch das wollte ihr nicht gelingen. Sie fühlte sich seltsam rastlos.
Außerdem gab es immer etwas zu tun, wenn Miles mit einem Buch beschäftigt war. Er war selbst sein strengster Kritiker, änderte und verbesserte, um schließlich das
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