Julia Festival Band 05
ausgerechnet jetzt stören?
Nun, es war vermutlich ein Omen, das er beachten sollte. Dennoch murmelte er: „Wir lassen es einfach klingeln.“
„Aber es könnte wichtig sein!“
Seufzend strich er sich durch das Haar und griff widerstrebend zum Hörer. „Hallo?“, meldete er sich noch schroffer als gewöhnlich.
„Hi, Rick. Ich wollte dir nur frohe Weihnachten wünschen.“
„Danke, Brenda, das wünsche ich dir auch. Wie geht es euch?“ Banner blickte Lucy nach, die diskret den Raum verließ.
„Alles bestens. Es ist nur schade, dass du nicht gekommen bist. Wir haben dich bei unserem Festessen vermisst.“
Banner bezweifelte, dass ihre Bemerkung der Wahrheit entsprach. So wenig, wie er für gewöhnlich der lebhaften und oftmals politischen Diskussion am Tisch seines Vaters beisteuerte, konnte er sich nicht vorstellen, dass seine Abwesenheit überhaupt jemandem aufgefallen war. Seine Schwester sagte das gewiss nur aus Höflichkeit. „Grüß bitte alle von mir.“
Es überraschte ihn kaum, dass sein Vater nicht anrief. Richard Banner war ihm nicht gerade zugetan. Er hatte die Entscheidung seines Sohnes, Tischler zu werden, statt eine hoch dotierte Karriere zu verfolgen wie seine jüngeren Halbgeschwister, nie gebilligt.
Ebenso wenig überraschte es Banner, dass sich seine Mutter nicht meldete. Sie schmollte, weil er ihrer Einladung nicht gefolgt war, obwohl sie die gemeinsame Zeit gewöhnlich mit Kritik an seinem legeren Äußeren und seinem mangelnden Interesse an gesellschaftlichen Anlässen verschwendete. Sie hatte sich stets daran gestört, dass er dem schlichten Dasein seines Großonkels den Vorzug gegenüber dem protzigen Lebensstil gab, den sie und ihr Mann so begierig verfolgten.
So unterschiedlich Banners Eltern auch waren, hatten sie eines gemeinsam: Sie legten großen Wert auf gesellschaftliche Anerkennung und waren tief enttäuscht von dem Sohn, den sie zusammen gezeugt hatten.
„Weißt du, Rick, du könntest wirklich versuchen, besser mit Dad auszukommen“, sagte Brenda jetzt, nicht zum ersten und sicher nicht zum letzten Mal. „Du bist ein Mitglied dieser Familie. Ich verstehe nicht, warum du so tust, als wärst du es nicht.“
„Ich weiß genau, wo ich in dieser Familie stehe, und ich komme gut mit dem alten Herrn aus. Er redet, ich höre zu, und dann führt jeder sein eigenes Leben weiter. Ich würde sagen, es klappt alles bestens.“
„Aber Tim und ich kennen dich kaum. Du lässt uns nicht an dich heran.“
Es lag nicht daran, dass ihm nichts an seinen Halbgeschwistern lag. Er hatte nur nicht viel mit ihnen gemeinsam und konnte sich nicht vorstellen, dass sie sich etwas zu sagen hatten.
Es war nicht persönlich gemeint. Er hatte ebenso wenig mit seinen anderen Halbgeschwistern zu tun, was seine Mutter ihm oft vorwarf. Nicht, dass sie sich seinen ungebührlichen Einfluss auf ihre extravaganten Töchter gewünscht hätte, aber es hätte sie gewaltig gestört, wenn er den Kindern seines Vaters nähergestanden hätte als ihren.
Banners Familie – beide Familien – waren im Grunde genommen nette Leute. Seine Eltern waren erfolgreiche, aufrechte Bürger, und all seine Geschwister schienen in deren Fußstapfen zu treten. Er lehnte keinen von ihnen ab, er gehörte nur nicht dazu. Es hatte ihn viel Zeit und Kummer gekostet, diese Tatsache schließlich zu akzeptieren.
Da er Brendas Gefühle nicht verletzen wollte, fragte er in interessiertem Ton: „Und wie geht es dir und Tim? Ist alles okay?“
„Mir geht es gut. Ich bin natürlich sehr beschäftigt, aber das gehört eben zu dem Beruf, den ich mir ausgesucht habe. Tim – na ja, ihm geht es wohl auch gut.“
„Stimmt was nicht?“
„Ich weiß nicht. Er wirkt in letzter Zeit zerstreut und bedrückt. Wahrscheinlich der Stress des Studienanfangs.“
„Wahrscheinlich. Grüß ihn von mir, ja? Und frohe Weihnachten.“
„Sicher, sag ich ihm. Mach’s gut, Rick.“
Er legte den Hörer auf und war sich bewusst, dass er sie enttäuscht hatte. Das schien er anderen immer wieder anzutun, ohne dass es seine Absicht gewesen wäre. Deswegen hatte er sich entschieden, sich zu isolieren, und hatte gelernt, mit seiner eigenen Gesellschaft auszukommen.
Einen Moment später ging er zu Lucy ins Wohnzimmer hinüber. Sie blickte von der Zeitschrift auf, in der sie gerade blätterte. „War das deine Schwester?“
„Ja. Die Tochter meines Vaters. Die Medizinstudentin. Sie wurde wohl von der Familie auserwählt, mich anzurufen.“
„Du
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