JULIA FESTIVAL Band 76
glaub mir. Er ist doch noch ein kleiner Junge. Er braucht dich.“
„Ich bin müde“, erwiderte Austin kühl und ging mit seinen Hosen über dem Arm zum Schrank.
Rebecca kam einen Schritt näher. „So leicht lasse ich mich nicht abfertigen. Wer hat dir beigebracht, dass man hart sein muss, um zu überleben? Warum ist es so schlimm, jemand zu mögen oder zu lieben?“
Er warf die Schranktür zu und sah sie böse an. „Liebe!“, stieß er verächtlich hervor. „Liebe ist ein Märchen. Es geht um Sex, um sonst gar nichts.“
Rebecca war, als hätte er ihr ins Gesicht geschlagen. Er glaubte nicht an Gefühle – nicht an ihre und nicht an die von David. Er machte sich nichts aus ihr und dem Jungen.
„Das bedeutet also, dass du nicht mehr zu Davids Fest kommst.“
„Du sagst es.“
Sie standen sich gegenüber, als wären sie Feinde. Rebecca wurde es eiskalt. Sie konnte sagen, was sie wollte, es interessierte ihn nicht. Ihr Mann war ein Fremder und würde es immer bleiben. Sie hatte sich etwas vorgemacht.
Ohne ein weiteres Wort verließ sie ihn.
Die warme Augustsonne hätte sie wärmen sollen, aber sie fröstelte. Wie sollte es jetzt weitergehen? Hatte sie überhaupt noch eine Chance?
Es dämmerte schon, als Austin zum Haus hinüberging. Rebecca hatte er seit ihrem Auftritt am Nachmittag nicht mehr gesehen, und er konnte es ihr nicht verübeln. Er hatte sich unverzeihlich benommen, und das mit voller Absicht.
Die Kinder waren längst schon im Haus. Austin blieb stehen. Er hatte nicht den Mut, einfach anzuklopfen, denn der Gedanke, Rebecca gegenüberzutreten, machte ihm Angst. Bestimmt verachtete sie ihn zutiefst.
Er wollte sich gerade wieder abwenden, als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. David saß unter einem Baum, ganz allein, in einem schokoladenverkleckerten, grasbefleckten T-Shirt und roten Shorts. Er bot ein Bild des Jammers, und Austin hätte sich am liebsten selbst einen Tritt versetzt. Es war Angst gewesen, die ihn ferngehalten hatte. Er war tatsächlich nicht Manns genug gewesen, einem kleinen einsamen Jungen gegenüberzutreten.
„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“, sagte er leise.
David hob mit einem Ruck den Kopf. Seine blauen Augen wurden groß, dann sprang er auf und rannte los über die Wiese auf Austin zu. „Austin!“, schrie er mit sich überschlagender Stimme.
Austin ging in die Knie, fing ihn auf und hob ihn auf die Arme. „Hallo, Sportsfreund. Wie geht es dir?“
David schlang die Beine um seine Taille und versteckte das Gesicht an seiner Schulter. „Du bist doch gekommen!“
„Aber klar. Heute ist doch dein Geburtstag.“
David klammerte sich an ihn, als wollte er ihn nie wieder loslassen. Austin verstand sich selbst nicht mehr. Wie hatte er nur eine Sekunde denken können, der Junge könnte eine Last sein?
David hob den Kopf. „Ich hatte so Angst, dass du keine Zeit hast.“ Seine Unterlippe zitterte. „Mein Onkel Bob ist auch nicht gekommen. Aber bei dir ist es viel schlimmer.“ Er schniefte. „Ich will, dass Mommy und Daddy wieder da sind.“
Tränen strömten ihm übers Gesicht, und Austin hielt ihn ganz fest und streichelte ihn tröstend. „Wein ruhig, David“, sagte er mit belegter Stimme.
Wer sollte das besser verstehen als gerade er? Er wusste genau, wie es war, wenn man als kleiner Junge allein gelassen wurde. Seine Mutter hatte ihm das unzählige Male angetan, und es tat immer noch weh.
Davids Schluchzen traf ihn mitten ins Herz und erinnerte ihn an all die Male, bei denen er seine eigenen Tränen unterdrückt hatte. Er setzte sich auf den Boden und nahm David auf seinen Schoß. Das Schluchzen ebbte langsam ab. Er hielt den Jungen fest und flüsterte sinnlose Trostworte. Rebecca wollte ihn adoptieren und in ihre Familie aufnehmen. Aber im Heim war er vermutlich besser dran. Dort war er wenigstens mit Erwachsenen zusammen, die wussten, was sie taten und ihm nicht gedankenlos wehtaten wie er.
Austin lehnte sich an den Baumstamm in seinem Rücken und sah in den Himmel hinauf. Konnte er lernen, ein guter Vater zu sein? Wollte er es überhaupt? War es vielleicht seine Angst zu versagen, warum er Rebecca und das Baby wegschicken wollte?
Er schüttelte den Kopf. Nein, es war besser, wenn er sich gar nicht erst auf etwas einließ, das er dann doch zerstören würde. Man brauchte sich nur anzuschauen, wie er David heute wehgetan hatte. Bei diesem einen Mal würde es nicht bleiben, und das konnte er nicht riskieren. Das war keinem Kind
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