JULIA FESTIVAL Band 76
Dinge, über die sie mit ihm sprechen wollte. Aber sie konnte es ihm nicht verdenken, dass er fragte. Schließlich hatte ihr Vater ihn damals bedroht und aus der Stadt getrieben.
Sie warf die Wagentür zu und setzte sich auf die Motorhaube. „Komm, setz dich zu mir.“
„Ich stehe lieber“, erwiderte er.
War denn ein Geständnis nicht gut für die Seele? Jenny hatte Angst davor. Anstatt ihr Gewissen zu erleichtern, würde sie sich elend fühlen, das wusste sie. Aber sie brachte es nicht fertig, ihm die Wahrheit zu verschweigen. Sie würde sie ihm sagen, und dann konnte er reagieren, wie er wollte.
„Ich habe nie behauptet, dass du der Vater bist“, begann sie leise.
„Nein?“
Chase bewegte sich, und sie hörte, wie der Kies unter seinen Schuhen knirschte.
„Dann hat dein Vater mich wohl aus lauter Gewohnheit für den Übeltäter gehalten, was?“
Er klang so verbittert. Sie konnte es verstehen. Trotzdem hatte sie insgeheim gehofft, er würde ahnen, was geschehen war, und zu ihr zurückkehren.
„Zuerst habe ich mich geweigert, zu sagen, wer es war“, begann sie und war erstaunt, wie schwer es ihr noch immer fiel, darüber zu reden. Eigentlich hätte sie inzwischen darüber hinweg sein sollen. „Ich fühlte mich durch die ganze Sache so … erniedrigt. Ich hatte Angst, dass du davon erfahren würdest. Dass es sich in der Stadt herumsprach und man mit dem Finger auf mich zeigte. Dad nahm an, dass ich dich schützen wollte. Und bevor ich den Mut fand, darüber zu reden, hattest du die Stadt verlassen.“
Chase stieß einen Fluch aus, und sie zuckte unwillkürlich zusammen. Nicht, dass der Fluch neu für sie war. Nach neun Jahren Arbeit im Stahlwerk gab es kaum etwas, das sie noch nicht gehört hatte.
„Es tut mir leid“, flüsterte sie. „Ich wollte nicht, dass es so kommt.“
„Daran hättest du denken sollen, bevor du dich mit dem Typen eingelassen hast. Mein Gott, du warst siebzehn. Wir waren Kinder.“
„Du klingst böse.“
„Das bin ich auch. Ich dachte, wir wollten aufeinander warten. Verdammt, Jenny, du hast mich verraten.“
Sie konnte sein Gesicht nicht erkennen. Nur die Stimme verriet, wie verletzt er war.
„Das wollte ich nicht.“ Es war nicht ihre Schuld gewesen. In gewisser Weise waren sie beide verraten worden.
„Wer war es? Kevin Denny? War es Kevin?“
„Es war nicht Kenny.“ Sie seufzte. „Es war … niemand.“
„Ein sehr potenter Niemand.“ Er stützte sich auf den Kotflügel. „Ich wünschte, du hättest es mir erzählt. Wir waren doch Freunde. Jedenfalls bis zu jenem letzten Tag … Der Typ hat dich sitzen lassen?“
„So könnte man es nennen.“
„Als ich damals die Stadt verließ …“ Er drehte sich zu ihr. „Ich habe dir vertraut, aber du hast gelogen. Mein Vater wollte, dass ich aufs College verzichte und arbeite, um dich zu unterstützen. Und dabei hatte ich nicht einmal das Vergnügen gehabt, mit der hübschen Jenny Davidson zu schlafen.“
Sie stand auf. „Ich fahre jetzt.“
„Nein!“ Er hielt sie am Arm fest. „Erst erzählst du mir, warum du gelogen hast.“
Selbst nach all dieser Zeit war es schwer, mit der Erinnerung umzugehen. Sie würde wieder alles vor sich sehen. Den Whiskeygeruch, das Geräusch ihres zerreißenden Kleids, die Tränen der Scham. Ihr erstes Mal war nicht so gewesen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Es war nicht Chase gewesen. Sie schüttelte die Gefühle ab und konzentrierte sich auf die Tatsachen.
„Erinnerst du dich an den Jahrmarkt? An den, der in jedem Juli in die Stadt kam?“
„Was hat der damit zu tun?“
Sie tastete nach seiner Hand. Sofort ließ er sie los. „Erinnerst du dich?“, fragte sie.
„Natürlich. Wie könnte ich den vergessen? Ich hatte meinen ersten Kater. Ich glaube, den hatte ich dir zu verdanken.“
Sie lächelte traurig. Sie waren so jung und unschuldig gewesen. „Stimmt. Wir langweilten uns, und das Schwimmbad war geschlossen.“
„Du hast mich aufgefordert, etwas aus der Bar meines Vaters zu stehlen.“
„Und du hast Brandy genommen.“
„Ja.“
Sie setzten sich auf die Motorhaube. Ihre Schultern berührten sich. Es war ein vertrautes Gefühl, dass Jenny sich beherrschen musste, um sich ihm nicht in die Arme zu werfen. Aber Chase war nicht zurückgekommen, weil er sie wiedersehen wollte. Er hatte nie angerufen oder geschrieben. Er glaubte, dass sie ihn verraten hatte, und wollte sie dafür bestrafen.
„Als die Flasche leer war, bist du eingeschlafen.“
Er
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