JULIA FESTIVAL Band 76
beginnt um halb neun.“
„Nimm es als Bonus.“
„Danke.“ Sie stand auf. „Komm.“
„Wohin?“
„Nach Hause.“
Er drückte ihre Hand, bevor er sie losließ. „Ich werde hier übernachten.“
„Warum?“
„Du hast einen Ruf zu wahren, Jenny.“
„Mir ist egal, was die Leute denken.“ Sie musterte ihn. Sein Gesicht wurde bereits ausdruckslos. „Du wirst allein sein. Die Haushälterin hat den Rest der Woche frei.“
„Das macht nichts.“ Er sah sich um. „Der alte Mann ist fort. Und mit ihm die Geister der Vergangenheit. Ich gehöre hierher.“
„Dann gehe ich jetzt.“ Jenny holte ihre Tasche und ging zur Tür. „Was wirst du essen?“
„Ich werde mir eine Pizza bestellen oder die Reste essen. Ich muss heute Abend die Papiere durchgehen.“
Warum bat er sie nicht, bei ihm zu bleiben?
Er lächelte. „Danke für deine Hilfe.“
„Bis morgen.“ Sie ging hinaus und eilte zum Wagen.
Hinter ihr ragte die Villa wie ein dunkles Ungeheuer auf. Jenny ging auf, dass sie elf Jahre lang einem Mann nachgetrauert hatte, der ihr nie richtig gehört hatte. Sie hatte einen Traum geliebt, eine Fantasie, Erinnerungen aus der Kindheit. Die Realität war so kalt und abweisend wie die Villa der Jacksons.
Sie würde morgen um zehn hier sein. Sie würde ihm helfen. Nicht weil sie ihn liebte, sondern weil sie und er immer mehr als Freunde gewesen waren.
9. KAPITEL
„Du kommst früh“, begrüßte Chase Jenny, als sie am nächsten Vormittag vor seiner Tür stand.
Sie erwiderte sein Lächeln nicht. Unter ihren Augen lagen Schatten.
„Was ist?“, fragte er.
„Ich konnte nicht schlafen.“
„Ich auch nicht“, gab er zu. „Ich hätte deine Einladung annehmen sollen.“
Sie trug Jeans und ein T-Shirt und duftete nur nach Seife und sich selbst.
Er streckte die Hand nach ihr aus, aber sie wich der Berührung aus.
„Gestern Abend habe ich dir nicht das Gästezimmer, sondern mein Bett angeboten.“
Er zuckte zusammen, als hätte sie ihn geohrfeigt. „Das wusste ich nicht.“
„Du hast mir nicht zugehört. Du wolltest mich loswerden.“
„Du bist mir böse.“
„Nein. Ich bin verletzt. Gestern habe ich das erste Mal gesehen, wie du wirklich bist.“
„Wie meinst du das?“, fragte er.
„Du und ich, wir sind nicht die, für die ich uns gehalten habe. Ich hielt uns für so etwas wie Romeo und Julia, aber das sind wir nicht. Du kannst mir sagen, wann ich wo zur Arbeit gehen soll. Du bestimmst das Schicksal meiner Familie. Du bist nicht der Junge, in den ich mich verliebt habe. Du bist William Jacksons Sohn.“
„Nein!“, rief er. „Das bin ich nicht. Das werde ich nie sein.“
„Es ist zu spät, Chase. Du hattest nie eine Wahl.“
„Du kannst mich nicht zwingen!“, entfuhr es ihm.
Er ging durch die Halle, immer schneller, bis er fast rannte. In der Bibliothek starrte er auf das Porträt seines Vaters über dem Kamin. Darüber hing ein Spiegel, und er sah, wie ähnlich er William Jackson war.
Er hörte leise Schritte, dann erschien Jennys Spiegelbild neben seinem. Sein Vater starrte sie mit finsterer Miene an.
„Geh zur Hölle“, schrie Chase. Er griff nach der Bronzestatue auf dem Couchtisch und warf sie gegen den Spiegel. Er zersplitterte. Die Statue prallte gegen die Tischkante, und der Schwanz des Pferds brach ab.
„Fühlst du dich jetzt besser?“, fragte Jenny.
Er atmete tief durch. „Ja.“
Er fühlte ihre Hände an den Armen. Sie führte ihn aus der Bibliothek. „Warum hast du keine Angst vor mir?“, fragte er leise. „So habe ich noch nie die Beherrschung verloren.“
„Ich weiß, dass du mir nichts tust. Und ich habe dich provoziert.“
Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. „Absichtlich?“
„Du solltest über alles nachdenken.“
„Was glaubst du, was ich in all den Jahren getan habe?“, entgegnete er.
„Nein. Du bist davongelaufen. Du tust es noch immer. Aber du kannst dich nicht ewig vor dem Werk verstecken.“
„Ich weiß. Aber auf einen Tag mehr oder weniger kommt es nicht an.“
Sie nahmen aus der Küche Kaffee, Äpfel und Kekse mit und stiegen in das zweite Stockwerk. Am Ende des langen Korridors, dort, wo der Seitenflügel begann, lagen die alten Schlafräume der Dienstboten. In ihnen waren die Kisten gelagert. Es roch muffig hier oben. Kein Reinigungsmittel würde den Geruch je vollständig wegbekommen.
„Warum trägst du die Uhr?“, fragte Jenny unvermittelt.
Er hatte ihr gesagt, dass die Uhr robust und daher ideal für die
Weitere Kostenlose Bücher