JULIA FESTIVAL Band 78
blieb ernst.
Robert – Antonia hatte seinen Nachnamen schon wieder vergessen – wirkte nicht nur sehr ernst, sondern auch noch ungehaltener als zuvor. Sie musterte ihn und kam zu dem Schluss, dass er gut aussah. Allerdings hatte sie für blonde Männer nicht viel übrig.
Finster schaute Robert sie jetzt mit seinen blauen Augen an.
„Da haben Sie sich treffend beschrieben. Bis auf das Phantom der Oper“, sagte er sarkastisch, „das hat einen viel zu sympathischen Charakter.“
Sie hatten inzwischen das Foyer erreicht, und Antonia blieb stehen.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte sie.
Offenbar kam ein neues Problem auf sie zu. Womit hatte sie diesen Mann nur so gekränkt?
„Richtig erkannt! Ich danke Ihnen von ganzem Herzen für Ihr unerwünschtes Eingreifen. Alles lief wundervoll, bis wir Sie trafen.“
„Es tut mir leid.“
„Das sollte es auch!“, fuhr er sie ärgerlich an. „In Zukunft seien Sie bitte so freundlich und bleiben bei Ihrem Auserwählten, statt mich einfach fortzulotsen, ja?“
„Ich sagte bereits, dass es mir leid tut“, entgegnete Antonia nachdrücklich. „Im Übrigen stimmt es nicht, dass Scott Seton mein Auserwählter ist. Ich habe lediglich dafür gesorgt, dass Scott und Jocelyn sich aussprechen können.“
„Was meinen Sie damit?“
Sie seufzte. „Na, die normalen Dinge eben zwischen Mann und Frau. Wahrscheinlich werden die beiden bald heiraten.“
„Heiraten?“, wiederholte Robert entsetzt.
„Nun, es ist noch nicht sicher“, schwächte Antonia ab und betete inbrünstig, dass es nie dazu kommen würde.
Er fluchte leise. Dann sah er sich im riesigen Raum um und betrachtete missbilligend die auserlesenen Möbelstücke und die elegant gekleideten Menschen.
„Ich hätte nicht hier herkommen sollen, das war ein großer Fehler“, sagte Robert schließlich ruhig. Ohne ein weiteres Wort und ohne Antonia noch einmal anzublicken, bahnte er sich entschlossenen Schrittes den Weg durch die Menschenmenge.
Antonia schaute Robert nach.
Das ist ja ein merkwürdiger junger Mann, dachte sie und nahm sich vor, mit Jocelyn über ihn zu sprechen. Das hatte jedoch Zeit bis morgen.
Antonia hielt sich an das, was sie sich vorgenommen hatte – sie beachtete Scott Seton an diesem Abend nicht mehr. Sie spürte aber, dass er sie von Zeit zu Zeit ansah, und plötzlich fühlte sie sich so lebendig wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Sie erkannte dann, dass diese große Herausforderung genau das war, was sie schon immer gebraucht hatte. Die Party machte Antonia mit einem Mal mehr Spaß, als sie für möglich gehalten hätte.
Als sie später allein im Schlafzimmer war und im Bett lag, dachte sie wieder über das nach, was sie noch unternehmen konnte.
Eine Agentur für Stellenvermittlung musste sie einrichten. Sie kannte eine Menge Leute, da sollte es doch möglich sein, Arbeitslose, vor allem die Betroffenen der Geschäftsübernahme, unterzubringen.
Doch als Erstes brauchte sie ein Büro. Es wäre unfair, wenn sie die vielen Telefongespräche auf Rays Rechnung von zu Hause aus führen würde. Auf jeden Fall wollte sie sich Ray gegenüber von nun an rücksichtsvoller zeigen. Sie nahm sich also vor, nach einem geeigneten Raum zu suchen.
Das brachte sie zum nächsten Punkt, dem Geld. Wie viel mochte es wohl kosten, ein Büro in der Stadt zu mieten, und wie viel anfängliche Aufwendungen würde sie wohl haben? Wenn der Stellenvermittlungsservice erst einmal lief, würde sie kostendeckende Vermittlungsprovisionen verlangen. Aber bis dahin war es ein weiter Weg.
Vor Jahren hatte Antonia selbst sehr viel Geld besessen, doch dann hatte sie Frank Sheldon kennengelernt, und bald war fast die gesamte Erbschaft der Mutter verschleudert.
Wie konnte ich nur so verrückt gewesen sein, ihm zu trauen?, fragte Antonia sich. Nun gut, sexuelle Anziehungskraft kann einen Menschen schon blind machen, ich wollte Frank ja sogar heiraten. Aber das ist mir eine Lehre gewesen!
Das ihr damals verbliebene Geld hatte sie in den letzten Jahren nach und nach ausgegeben. Sie wusste gar nicht recht, wofür. Mit ihrem Gehalt war es ähnlich. Sie hielt Freunde frei, lieh ihnen zuweilen gewisse Beträge, spendete für wohltätige Zwecke, kaufte dies oder jenes. Meistens besaß sie schon längst vor Ultimo keinen Penny mehr.
Erst in den letzten Wochen hatte Antonia erkannt, wie glücklich sie sein konnte, dass sie den Rückhalt eines guten Zuhauses hatte, wo die Tür immer für sie offen stand und wo es Ray gab, der ihr
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