JULIA FESTIVAL Band 78
kennst du eigentlich diesen Robert, mit dem du im Garten warst?“, erkundigte sie sich.
Jocelyn machte ein unschuldiges Gesicht. „Robert Gilbert? Er ist Arzt am Camperdown Hospital. Wir sind gute Freunde. Warum fragst du?“
„Weil ich glaube, dass er in dich verliebt ist. Er hat ja völlig verrückt gespielt, weil ich ihn ins Haus zurückgeschleppt und dich Scott Seton überlassen habe.“
„Dass Robert wütend war, habe ich gar nicht bemerkt“, sagte Jocelyn ziemlich verblüfft.
„Eins kann ich dir mit Gewissheit sagen: Er hätte mich am liebsten auf den Mond geschossen. Und als ich ihn darüber aufklärte, dass sich zwischen dir und Scott etwas abspielt, war er geradezu entsetzt. Sei nett zu ihm, Jocelyn. Er scheint wirklich sehr verliebt in dich zu sein.“
Jocelyn schüttelte den Kopf. „Ach was, es hat ihm wohl einfach nur nicht gefallen, dass unser Gespräch unterbrochen wurde, du quasi über ihn verfügt hast.“
„Nein, er war eifersüchtig“, widersprach Antonia. „Er war vor Eifersucht völlig aus dem Häuschen, glaub mir.“
„Hm …“
„Denk darüber nach“, riet Antonia.
Plötzlich begannen Jocelyns Augen zu leuchten.
„Er kann sehr gut mit Kindern umgehen“, sagte sie.
„Das ist schön.“
„Ja.“ Jocelyn lächelte still vor sich hin, dann erhob sie sich vom Bett und ging langsam zur Tür. „Danke, dass du dafür gesorgt hast, dass die Party ein Erfolg war. Gute Nacht.“
„Träum süß!“, rief Antonia, löschte das Licht und kuschelte sich zufrieden in die Kissen. Es sah ganz so aus, als erwiderte Jocelyn Robert Gilberts Gefühle, ohne sich dessen bewusst zu sein. Falls der junge Doktor genügend Mumm besaß, sich Jocelyn zu erklären …
Anscheinend tat sie sich ein wenig schwer im Umgang mit ihm. Also galt es, Robert Gilbert tatkräftig zu unterstützen. Alles, was Scott Setons Arroganz einen Dämpfer versetzte, war von Nutzen, damit sie, Antonia, ihre Ziele durchsetzen konnte. Es wäre für Scott eine läuternde Erfahrung, dass eine Frau ihn abwies, weil sie einen anderen vorzog.
Antonia setzte den Punkt Robert-Jocelyn in Gedanken auf die Liste der Dinge, an denen sie arbeiten musste.
Nüchtern betrachtet hatte Scott Seton natürlich viele Vorzüge: Er war ein attraktiver, stattlicher Mann, vielleicht wirklich ein guter Liebhaber und konnte sehr charmant sein. Außerdem war er vermögend.
Antonia versuchte sich vorzustellen, wie es wohl wäre, mit ihm zu schlafen. Den Gedanken daran fand sie sogar reizvoll, und aus einem ihr unerfindlichen Grund erleichterte es sie sehr, dass er nicht mit Jocelyn geschlafen hatte.
Wahrscheinlich verhält er sich auch im Bett wie ein Computer, zeigt zwar große Sachkenntnis, aber kein Gefühl, hat alles im Griff, alles unter Kontrolle, versuchte Antonia sich schließlich einzureden. Nie – in keiner Situation – verliert er die Beherrschung.
Nein, das stimmte nicht. Einige wenige Ausnahmesituationen hatte es heute Abend gegeben. Ab und an hätte er beinahe die Kontrolle über sich verloren. Dennoch bezweifelte Antonia, dass sein Kuss gefühlvoll gewesen wäre – wäre es zu einem Kuss gekommen. Nicht, dass sie das gewollt hätte, nein, das keinesfalls. Trotzdem hätte sie ganz gern erfahren, wie Scott küsste. Natürlich nur der Information halber. Je mehr sie, Antonia, über ihn wusste, desto besser. Jedes Wissen konnte gegen ihn verwandt werden.
Sie schüttelte noch einmal das Kopfkissen auf. Zeit zum Schlafen! Antonia konzentrierte sich darauf, jeden Muskel zu entspannen. Und mit der Leichtigkeit der Menschen, die ein reines Gewissen haben, war sie bald eingeschlafen.
Der Sonntag zeigte sich als einer dieser herrlichen Tage, an dem der Himmel von einem so klaren Blau ist, dass man fast geblendet wird. Es war ein Tag, an dem man in der Hafenbucht Sydneys hätte segeln oder surfen sollen oder auf dem Hawkesbury River Boot fahren und Wasserski laufen.
All diese verlockenden Möglichkeiten gingen Antonia durch den Kopf, während sie am geöffneten Schlafzimmerfenster stand und die klare Morgenluft einatmete.
Aber nichts von alldem würde sie, Antonia, unternehmen. Heute musste sie beginnen, Verantwortung zu übernehmen für die Menschen, die in eine düstere Zukunft blickten. Das ließ sich nicht auf später verschieben. Es galt, ein Büro zu finden und zu mieten, sowie viele geschäftliche Dinge zu organisieren. Nein, heute durfte sie, Antonia, sich nicht ausruhen oder vergnügen.
Sie trat vom Fenster zurück und
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