JULIA FESTIVAL Band 78
wichtigen Dinge des Lebens bewusst“, antwortete er trocken und machte unbeirrt weiter.
Carolyn erduldete Cliffs Hilfe passiv wie eine Statue. Sie kannte sich selbst kaum mehr. Was war nur mit ihr los, dass sie das so ruhig geschehen ließ? Konnte es sein, dass sie Cliffs Charme unterlag?
Nein. Denn im Augenblick war sein Verhalten tadellos. Er war ganz einfach nur nett zu ihr. Vorbildlich nett. Und sie erkannte, dass sie ganz einfach jemanden brauchte, der nett zu ihr war. Der die schwarze Leere in ihrem Innern füllte. Sie hatte Jeff verloren, und Marlee war verheiratet. Sie hatte niemanden mehr. Keinen einzigen Menschen.
Doch sie konnte doch nicht allen Ernstes einem Mann wie Cliff Selby trauen wollen? Seine ungewohnte Freundlichkeit basierte ganz sicher nur auf ihren heutigen Rollen. Etwas anderes konnte es nicht sein. Trotzdem … Sie erinnerte sich an die merkwürdige Sanftheit in seinen Augen. An das warme, fast unwiderstehliche Timbre in seiner Stimme …
Nein! Entschlossen bekämpfte Carolyn diese närrische Schwäche, die sie verletzlich machte, und wandte ärgerlich den Kopf zur Seite. Ihre Empfindungen spielten ganz einfach verrückt. Das war alles. Ein Cliff Selby würde sich niemals wirklich für sie interessieren. Und sie brauchte ganz entschieden keinen Mann seiner Sorte. Schließlich hatte sie schon in ihrer frühesten Jugend Härte und Selbstdisziplin gelernt.
„Halten Sie doch still, sonst verletze ich noch ihr Auge“, ermahnte er sie sanft.
„Danke, es geht schon wieder“, wehrte sie ihn ab und fügte ironisch hinzu: „Ich bin jetzt glücklich. Keine Tränen mehr. Versprochen.“
Überrascht trat er einen Schritt zurück und musterte sie forschend. Dann meinte er zögernd und erstaunlich sensibel: „So sehen Sie mich also …“
„Ich glaube nicht, dass Sie Gedanken lesen können“, antwortete Carolyn spöttisch. Sie wollte sich nicht anmerken lassen, dass sie verwirrt war. „Aber ich durchschaue Sie!“
„Sehr interessant. Ich höre …“
Der lächelnde Ausdruck in seinen Augen ließ sie ganz instinktiv in die Defensive gehen und jegliche Etikette der Höflichkeit vergessen. Sie kämpfte, wie sie ihr Leben lang gekämpft hatte. Kompromisslos. „Sie sind klug, berechnend, selbstsicher, zynisch, sehr beherrscht und manipulierend.“
Das war wenigstens die Wahrheit, und weshalb sollte sie nicht ehrlich sein. Zurücknehmen konnte sie es nun ohnehin nicht mehr.
Er verzog den Mund. „So tief können Sie also in mich hineinsehen.“
„Tiefer als Sie jemals in mich“, sagte sie bestimmt.
„Nun, soweit ich mich entsinne, Carolyn, ist dies auch das längste Gespräch, das wir jemals miteinander geführt haben“, spottete er leicht. „Wenn Sie mir nicht erlauben, Sie zu berühren, oder nur mit Ihnen zu sprechen …“
„Reden ist ganz sicher nicht das, woran Sie denken, Mr. Selby“, wies sie ihn eisig ab.
„Es ist immerhin ein Anfang“, argumentierte er gelassen.
„Nein, das Ende.“
In seinen Augen funkelte es. Eine Mischung aus Begehren und Belustigung. „Spüren Sie es denn nicht auch zwischen uns?“, fragte er eindringlich. „Dieses Prickeln … diese Anziehungskraft?“
Carolyn wurde rot. „Sie sind verrückt, wenn Sie das glauben“, empörte sie sich und wandte ärgerlich den Blick ab.
„Aber ganz im Gegenteil“, lachte er leise auf. „Ich wäre verrückt, wenn ich das nicht dächte.“
Glücklicherweise konnten die Zwillingsmädchen die langweilige Zeremonie gerade in diesem Augenblick nicht mehr ertragen. Sie unterbrachen den unangenehmen Disput, indem sie einfach ihre Plätze verließen und nach vorne zu Ray und Marlee stürmten. Ungeduldig wollten sie wissen, ob sie ihre Sache beim Blumenstreuen gut gemacht hatten.
Marlee beugte sich zu ihnen hinunter und umarmte sie liebevoll. „Ihr wart ganz einfach toll. Die besten und hübschesten Blumenmädchen der ganzen Welt.“ Sie sahen wirklich zauberhaft aus in ihren fliederfarbenen Kleidchen, die genauso wie Carolyns Kleid geschnitten waren. Nur die Ausschnitte waren nicht so gewagt und die Röcke etwas kürzer.
„Wann machen wir denn nun endlich die Fotos?“
„Gleich“, erklärte Marlee geduldig. Sie konnte die Aufregung der beiden gut verstehen. Erst einmal die wichtige Aufgabe des Blumenstreuens, und dann war ihr Kindermädchen plötzlich auch noch die Braut ihres Onkel Ray. „Ihr könnt ja schon rüber zur Gartenbank laufen. Wir kommen sofort nach.“
„Ich begleite sie“, bot Carolyn
Weitere Kostenlose Bücher