JULIA FESTIVAL Band 84
überhaupt nicht glücklich darüber zu sein. Er klang nur müde und erschöpft.
Tränen traten Meredith in die Augen. „Als du in der vergangenen Woche vor meiner Tür gestanden hast, dachte ich einen Moment lang, du wärst meinetwegen gekommen.“
Anthony schüttelte verzweifelt den Kopf. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“
Sag, dass du mich liebst und nie wieder verlassen wirst!
Meredith sehnte sich so danach, die Worte zu hören. Aber Anthony schwieg.
Sie standen sich gegenüber und blickten sich gequält an, bis das Klicken der Haustür sie beide aufschreckte. Anthony drehte sich um, und Meredith beobachtete angespannt, wie Kimberly auf die Veranda kam. Sie sah todunglücklich aus und schaute Anthony und Meredith unsicher an, als befürchtete sie, nicht willkommen zu sein. Trotzdem schloss sie tapfer die Tür hinter sich und ging auf die Erwachsenen zu.
„Warum bist du nicht im Bett?“, fragte Anthony scharf.
„Ich konnte nicht schlafen“, erwiderte Kimberly zittrig. „Da bin ich aufgestanden und habe mir die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum noch einmal angesehen.“
„Du meinst, du bist aufgestanden, um uns nachzuspionieren.“
„Anthony … bitte“, protestierte Meredith.
Er warf ihr einen verzweifelten Blick zu. „Kimberly hat leider die unangenehme Angewohnheit zu lauschen.“
Meredith schaute ihre unglückliche Tochter an. „Hast du mitgehört?“, fragte sie sanft.
Das Mädchen nickte. „Ich wollte nicht, Merry. Das Fenster ist offen, und ihr habt … ihr habt gesagt …“ Kimberly sah mit großen Augen Anthony an.
„Verdammt, Kimberly! Das geht dich nichts an!“, schrie er, zu aufgewühlt und zu verstört, als dass er erkennen konnte, wie sehr er sich irrte.
Kimberly hatte das Recht, es auch zu wissen. Entsetzt und hilflos hörte Meredith, wie ihre Tochter ihm die Frage stellte, die sie so quälte.
„Bist du mein richtiger Vater, Onkel Anthony?“
16. KAPITEL
Tränen liefen Kimberly über die Wangen, doch sie schien sich dessen nicht bewusst zu sein. Sie blickte Anthony flehend an, als könnte er alles in Ordnung bringen. Mit einer Hand zupfte Kimberly an ihrem T-Shirt-Nachthemd, und Meredith vermutete, dass ihre Tochter sich nur an irgendetwas festhalten wollte. Das zerzauste Haar hing ihr offen ums Gesicht, und sie sah aus wie ein Kind, das Heimat und Familie verloren hatte. Meredith hätte Kimberly gern in die Arme genommen und getröstet und beruhigt.
Aber Kimberly hatte Anthony gefragt, und deshalb hielt sich Meredith zurück. Außerdem war sie ja überhaupt nicht in der Lage, das Kind zu beruhigen. Sie konnte keine rosige Zukunft versprechen, die an die Stelle der Vergangenheit treten würde. Anthony und sie hatten nichts wirklich geklärt. Er hatte geschwiegen, nachdem er die ganze Wahrheit von ihr erfahren hatte. Jetzt war es seine Sache, alle Fragen zu beantworten.
Nur sah er ebenso verloren aus wie Kimberly. Wenn sie das meiste mit angehört hatte, musste sie völlig verzweifelt sein. Ihre Mom hatte sie Meredith weggenommen und Anthony vorenthalten, dass er Vater geworden war. Die Zwölfjährige hatte bereits damit fertig werden müssen, dass Denise und Colin nicht ihre richtigen Eltern waren. Jetzt, da sie die Hintergründe der Adoption erfahren hatte, war ihre früher so heile Welt endgültig zerbrochen. Und Anthony war sich zweifellos bewusst, dass er keinen Trost anzubieten hatte. Was geschehen war, ließ sich nicht wieder in Ordnung bringen. Wenn Meredith und er Gelegenheit gehabt hätten, sich auf das Gespräch mit Kimberly vorzubereiten, wäre es vielleicht möglich gewesen, ein bisschen abzuschwächen, was ihre Adoptiveltern getan hatten. Auf diese Situation waren Meredith und Anthony nicht gefasst gewesen, und es war natürlich sehr schwer, jetzt das Richtige zu sagen.
Kimberly wartete darauf, dass sich Anthony zu ihr bekannte, doch er schien wie gelähmt zu sein. Nach einem Moment, der Meredith wie eine Ewigkeit vorkam, rührte sich Anthony. Er ging vor Kimberly in die Hocke und nahm ihre Hände. „Ja, Schatz, ich bin dein leiblicher Vater“, sagte er leise.
Sie biss sich auf die Lippe.
„Ich habe es bis heute nicht gewusst, Kimberly. Aber jetzt, da ich es weiß …“
„Wie konntest du Merry vergessen? Du hast sie im Stich gelassen!“, rief das Mädchen verzweifelt.
Meredith war zu Tränen gerührt. Ihr Kind setzte sich für sie ein … Wie schnell sich eine enge Bindung zwischen ihnen entwickelt hatte!
„Nein, Kimberly“, sagte
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