JULIA FESTIVAL Band 84
kein Durchschnittsmensch sein.
Dass Ben viel größer und muskulöser als sie war, schreckte Angela keineswegs ab. Sarah lachte in sich hinein, als sie ihre Freundin so angriffslustig dastehen sah, die Hände in die Hüften gestemmt, das zierliche Kinn energisch vorgeschoben. „Ich weiß wenigstens, worauf ich hinaus will“, verkündete sie laut und deutlich.
„Ich auch“, entgegnete Ben noch lauter.
„Ach ja?“ Angela setzte ein spöttisches Lächeln auf. „Du solltest mir unendlich dankbar sein, Ben. Ich habe nämlich jemanden gefunden, der bereit ist, diese Scheinehe einzugehen.“
Diese Bemerkung riss Sarah aus ihrer Benommenheit. Auch Ben erschrak sichtbar und blickte Angela finster an.
„Angela … äh … ich habe die Frau schon selbst gefunden. Nicht dass ich undankbar für deine Hilfe wäre, aber …“
„Na, das ist ja einfach fabelhaft“, erwiderte Angela aufgebracht. „Jetzt stehe ich wie der größte Dummkopf des Jahrhunderts da. Nicht genug, dass ich die Rolle eines zweifelhaften Heiratsvermittlers übernehmen musste, nein …“
Den weiteren Zornesausbruch bekam Sarah nicht mehr richtig mit. Ein Wort ging ihr immer wieder durch den Kopf. Scheinehe … Scheinehe … Und natürlich würde es nichts anderes sein. Keine Liebe, keine solide Grundlage, alles nur Schein, Vortäuschung, Heuchelei. Mit voller Wucht fiel die Niedergeschlagenheit erneut über Sarah her. Steif erhob sie sich und sagte mit einem erzwungenen Lächeln: „Ben, nun brauchen Sie mich ja nicht mehr. Ich bin überzeugt, dass Angelas Kandidatin ganz Ihren Vorstellungen entspricht. Würden Sie beide mich bitte entschuldigen. Ich möchte mich zurückziehen.“
Schon griff Ben nach ihr und hielt sie fest. „Warten Sie, Sarah“, bat er eindringlich. „Ich will gar keine andere Frau heiraten. Niemand könnte besser sein als Sie.“
„Sarah!“, rief Angela entgeistert. „Was höre ich da? Jetzt weiß ich, dass mein Bruder den Verstand verloren hat. Sarah ist ja bereits verlobt und wird niemals …“
„Wir sind ihn losgeworden“, erklärte Ben ungeduldig. „Sarah und ich stimmen bezüglich der Heirat völlig überein.“
„Was heißt, ihr seid ihn losgeworden?“ Angelas Mund stand offen, als sie sich zu Sarah umdrehte. „Mein Gott, Ben hat doch nicht etwa deine Beziehung zu Julian kaputt gemacht – oder? Ich kann mir nicht verzeihen, dass ich ihn hiergelassen habe. Ich glaubte, dass er sich wenigstens dieses eine Mal anständig benehmen würde. Anscheinend irrte ich mich gewaltig.“
„Verdammt, Angela, ich habe mich anständig benommen“, explodierte er wütend. „Weder warf ich ihn aus dem Fenster, noch aus der Tür. Ich ließ ihn friedlich gehen, wie Sarah es wollte.“
„O Gott.“ Angela schaute ihre Freundin um Entschuldigung bittend an. „Ich werde alles Menschenmögliche tun, um das wieder in Ordnung zu bringen, Sarah. Verzeih, ich …“
Sarah befreite sich aus Bens leichtem Griff und drückte begütigend Angelas Arm. „Ist schon gut, Angela. Ich habe Schluss mit Julian gemacht, und er reagierte nicht sehr nett darauf. Ich bin Ben sehr dankbar, dass er sich rechtzeitig eingeschaltet hat und mir dadurch eine hässliche Szene erspart hat.“
„Was? Du hast mit Julian gebrochen, Sarah? Aber du bist doch so verrückt nach ihm gewesen.“
Schwer seufzte Sarah auf. „Ja, verrückt und dumm. Nun, es ist jedenfalls vorbei.“
„Warum, Sarah?“ Verständnislos schüttelte Angela den Kopf und setzte besorgt hinzu: „Was immer auch passiert sein mag, so verrückt bist du sicherlich nicht, dass du Bens Antrag annimmst. Das wirst du doch nicht tun, nicht wahr?“
„Hey, Angela! Auf wessen Seite stehst du eigentlich?“, protestierte Ben lautstark.
„Nein.“ Sarah senkte den Kopf, weil niemand ihre Tränen sehen sollte. Dann stolperte sie durch den Gang zu ihrem Schlafzimmer. Ihr Herzleid ging nur sie etwas an.
„Sarah!“, rief Ben ihr hinterher.
„Lass sie in Ruhe, du … du Blödmann!“, befahl Angela.
„Du verstehst nicht …“
„Wenn du auch nur eine Minute glaubst, dass Sarah sich dir verkauft, bist du noch dümmer, als ich dich eingeschätzt habe.“
„Du siehst das ganz falsch, Angela. Wir würden nur Partner sein, sonst nichts.“
Sarah schloss die Schlafzimmertür, um nichts mehr zu hören. Angela sieht es nicht falsch, dachte sie verzweifelt. Der Gedanke, auf welchen Handel sie sich beinahe eingelassen hätte, machte sie krank. Sie wäre von Ben gekauft worden und hatte
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