Julia Festival Band 86
Die altehrwürdige Patina der Lederjacke war sicher fabrikgefertigt, das Gleiche galt für die Wanderstiefel. Und dass Matthew gut aussah, hatte sie nie infrage gestellt. Er war ein attraktiver Mann – sofern man diesen Typ Mann mochte.
„Ich sagte, Sie sollten um halb acht im Foyer auf mich warten“, sagte sie schroff. „Jetzt ist es gerade erst …“
„Viertel nach sieben, ich weiß“, fiel Matthew ihr freundlich ins Wort. „Aber mein Mietwagen wurde mir früher als erwartet gebracht, und ich sah keinen Sinn darin, ihn vom Türsteher zwanzig Minuten um den Block fahren zu lassen. Deshalb bin ich schon hergefahren und habe genau vor der Tür einen Parkplatz bekommen.“ Er betrachtete ihr missmutiges Gesicht und seufzte. „Okay, ich bin zu früh und entschuldige mich dafür. Ich werde mich da auf die Couch setzen, und Sie werden nicht einmal merken, dass ich hier bin.“
„Schon gut“, antwortete sie ein wenig versöhnt. „Kommen Sie herein, ich mache Ihnen einen Kaffee. Den können Sie dann trinken, während ich mich …“ Anziehe, hätte sie fast gesagt. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie sie aussehen musste, barfüßig und im Bademantel. Und ihr wurde auch bewusst, wie leicht es sein würde, Matthew einfach die Arme um den Nacken zu legen und seinen Kuss willkommen zu heißen. „Da fällt mir gerade ein, der Kaffee ist mir ausgegangen“, sagte sie rasch.
Matthew nickte. „Kein Problem. Vergessen Sie, dass ich hier bin, und …“
Ziehen Sie sich an. Da war es wieder. Matthew wusste genau, dass Susannah es nicht über die Lippen gebracht hatte, und ihm ging es genauso. Denn insgeheim wollte er Susannah gar nicht angezogen sehen, sondern nackt in seinen Armen halten. Und trotz ihrer gespielten Empörung gingen Susannahs Gedanken in die gleiche Richtung. Was, wenn er diesen Lügen endlich ein Ende bereiten würde? Wenn er sie in die Arme nehmen und küssen würde? Wenn er ihr diesen Bademantel von den Schultern streifen und seine Lippen über ihren Hals bis hinab zu ihren Brüsten gleiten lassen würde?
Verdammt! Matthew wandte sich ab und ging zum Fenster, um die atemberaubende Aussicht auf eine Reihe von Müllcontainern am Straßenrand zu bewundern. „Ziehen Sie sich einfach an“, sagte er schroff. „Ich bin nur wenige Minuten zu früh, Miss Madison. Wenn Sie überlegt hätten, wären Sie schon fertig gewesen und hätten mich erwartet.“
Susannahs Lächeln verschwand. So viel zu seiner Entschuldigung. „Und wenn Sie höflich gewesen wären, wären Sie nicht da aufgetaucht, wo Sie nicht eingeladen waren.“
Sie ging ins Schlafzimmer, schlug die Tür hinter sich zu und nahm Tom vom Bett. „Es war klug von dir, dich nicht blicken zu lassen“, flüsterte sie in sein Fell. „Der Mann ist ein Tier.“
„Miau?“, maunzte Tom sanft.
„Oh, kein Tier wie du, Tommy Darling. Er ist eine Bestie. Du kennst doch den Dobermann am anderen Ende des Flurs? Glaub mir, dieser Hund hat einen besseren Charakter als Matthew Romano.“
Im „Aunt Sally’s“, war es ziemlich voll, laut und verraucht. Nach Matthews Ansicht war das Restaurant etwa so romantisch wie die Stadtautobahn in San Francisco zur Hauptverkehrszeit. Susannah wiederum verglich den Charme des Restaurants insgeheim mit dem eines vollbesetzten U-Bahnwagens um fünf Uhr nachmittags.
Sobald sie an ihrem Tisch Platz genommen hatten, zückte sie ihren Notizblock. „Ich habe mir eine Checkliste gemacht. Es gibt fünf Kategorien: Ambiente, Ausstattung, Essen, Wein und Stimmung. Und die Bewertungsskala reicht von eins bis fünf.“
„Bewertungsskala? Sie meinen so etwas Ähnliches wie Sterne?“, fragte Matthew.
„So ungefähr.“
Matthew dachte einen Moment darüber nach. „Herzen“, sagte er dann.
„Herzen?“ Sie sah ihn verständnislos an.
„Ja, natürlich. Herzen anstelle der sonst üblichen Sterne. Ein Herz, zwei Herzen … verstehen Sie?“
„Ach so.“ Sie lächelte. „Ja, eine gute Idee.“
Matthew sah zu, wie sie sich über ihren Block beugte und etwas notierte. Dabei fragte er sich unwillkürlich, ob sich ihr Haar immer noch so seidig anfühlte, wie er es in Erinnerung hatte.
Susannah blickte unvermittelt auf. „Stimmt etwas nicht?“
Matthew riss sich zusammen. „Nein, nein. Ich dachte nur gerade: Ambiente, Ausstattung und Stimmung – ist das nicht alles das Gleiche?“
Susannah lächelte mitleidig. „Keineswegs, Mr. Romano. Ambiente ist die unmittelbare Ausstrahlung des Restaurants. Vermittelt es ein
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