Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Julia Festival Band 86

Julia Festival Band 86

Titel: Julia Festival Band 86 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Marton
Vom Netzwerk:
lange Zeit schon völlig pleite gewesen war. „Meine Großmutter“, sagte sie lachend, „wäre vermutlich in Ohnmacht gefallen, wenn irgendjemand in ihrer Gegenwart etwas derartig Derbes gesagt hätte.“
    „Nun, meine Nonna stammt aus Sizilien, und sie kann schon recht derb sein.“
    „Aus Sizilien? Wirklich?“
    „O ja, sie kam mit zwölf Jahren nach Amerika, aber sie ist eine waschechte Sizilianerin geblieben.“ Ein jungenhaftes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Ich weiß nicht, wie oft sie mir den Hosenboden versohlt hat, aber ich habe sie trotzdem immer geliebt. Sie macht die beste Lasagne, die ich kenne. Als ich klein war, haben wir jeden Sonntag bei ihr gegessen. Wir zogen unsere guten Sachen an, gingen zur Kirche und dann zu Nonna zum Essen. Sie wohnte gleich um die Ecke in North Beach.“
    „North Beach in San Francisco?“, fragte Susannah überrascht.
    „Ja, Little Italy – so wird es heute immer noch genannt.“ Matthew führte Susannah den Flur entlang zum Aufzug.
    „Wenn die Jungs, mit denen ich aufgewachsen bin, mich in dieser Verkleidung sähen, müsste ich wohl meine Ehre verteidigen.“
    Susannah stimmte in sein Lachen ein, aber in ihrem Kopf ging es drunter und drüber. Matthew Romano war in San Franciscos Little Italy aufgewachsen! Möglicherweise hatte er ja doch nicht sein ganzes Leben damit verbracht, sein Geld zu zählen?
    Das „Gilded Carousel“ schien der Sache schon näherzukommen.
    „Piekfein ist gar kein Ausdruck“, flüsterte Susannah und nippte an ihrem Champagner.
    „Hm. Ich erwarte jeden Moment, dass sie uns nach unserem Stammbaum fragen werden.“
    „Meine Großmutter, erinnern Sie sich?“ Susannah lachte. „Sie wäre nur zu stolz gewesen, ihre Abstammung bis zurück zur ‚Mayflower‘ darzulegen.“
    „Warum nicht, Susie?“ Matthew lächelte. „Im Ernst, ich bin beeindruckt. Ein echter Nachfahre der ersten Einwanderer zu sein ist schon etwas Besonderes.“
    „Glauben Sie mir, Matthew, es hat nichts zu sagen. Ich bin in einem großen, heruntergekommenen Haus auf Beacon Hill aufgewachsen.“
    „Boston?“
    „Ja. Ich bin mit den Geschichten über die Gründerväter groß geworden … und wenn das Licht plötzlich ausging, hieß es, es sei ein Stromausfall und nicht, weil die Stromrechnung nicht bezahlt worden war.“
    Susannah verstummte. Warum, in aller Welt, hatte sie das jetzt gesagt? Sie hatte noch nie mit irgendjemand über ihre Kindheit gesprochen, sondern ihr Leben selbst in die Hand genommen und, seit sie denken konnte, versucht, das Beste daraus zu machen. „Tut mir leid.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. „Ich möchte Sie nicht mit meinen Familiengeschichten langweilen.“
    „Ich langweile mich keineswegs. Erstaunlich zu hören, dass die Nachfahren der ‚Mayflower‘ ganz ähnliche Probleme haben wie die Leute aus Little Italy.“
    „Nicht alle. Manche haben schon Geld. Und manche derer, die keins haben, schämen sich auch nicht, dafür arbeiten zu gehen.“
    „Anders als Ihre Großmutter?“
    „Meine Großmutter doch nicht!“, sagte Susannah gespielt entrüstet. „Über Geld sprach man nicht – das taten nur gewöhnliche Leute. Mein Vater dachte genauso oder wollte sich nicht mit ihr streiten. Er hatte nichts Wirkliches gelernt, also tändelte er ein wenig damit herum, Versicherungen an Leute zu verkaufen, die er kannte und die – wie ich vermute – einfach Mitleid mit ihm hatten. Als er starb, waren wir dann wirklich pleite. Das Haus ging für die Steuerschulden drauf, und meine Mutter musste sich eine Arbeit suchen. Sie fand einen Job in einem … piekfeinen Laden, wo sie Leute bediente, die einmal so getan hatten, als wären sie ihre Freunde.“
    „Das klingt nach einer harten Kindheit“, sagte Matthew mitfühlend.
    „O nein. Vielen Menschen geht es viel schlechter, und in gewisser Weise war es auch eine gute Lektion.“
    Er langte über den Tisch und nahm ihre Hand. „Dass man stets dafür sorgen sollte, die Stromrechnung zu bezahlen?“
    Sie lachte. „Genau. Und wie wichtig es ist, auf eigenen Beinen zu stehen.“ Seine Hand fühlte sich warm und stark an. Ganz langsam entzog Susannah ihm ihre und lehnte sich zurück. „Sehen Sie mich nicht so an, Matthew. Ich weiß, es ist dumm, darüber zu jammern, dass bei uns zu Hause keiner zugeben wollte, dass wir arm waren. Immerhin hatten wir immer genug zu essen und ein Dach über dem Kopf. So viel Glück haben viele Menschen nicht. Außerdem ist das alles vergangen und

Weitere Kostenlose Bücher