Julia Festival Band 86
habe und mich nie wieder mit einem einlassen wolle.“
„Stimmt das, Nonna?“
„Ja, vielleicht. Es ist schon so lange her. Du weißt doch, wie es ist, wenn eine Frau alt und schwach wird …“
„Es ist eine Woche her. Und du bist in etwa so schwach wie Godzilla.“
„Joey, ich habe es nur gut gemeint.“
„Du meinst es immer gut“, erwiderte er streng. „Aber diesmal bist du zu weit gegangen.“ Er legte Lucinda den Arm um die Schultern und schob sie etwas nach vorn. „Weißt du, was du getan hast, Nonna?“
„Ja.“ Nonna lächelte. „Ich habe eine Köchin für dich gefunden.“
Joe lachte. Lucinda verspannte sich noch mehr und versuchte vergebens, sich aus seinem Griff zu befreien.
„Ja, eine, die erst im Kochstudio anrufen muss, bevor sie Wasser kochen kann.“
„Nein. Sie hat in Florenz Kochen gelernt.“
„Sie kann nicht zwischen Florenz und Florenze unterscheiden.“
„Jetzt verwirrst du mich aber, Joseph.“
„Schon gut, vergiss es. Jedenfalls ist das Einzige, was diese feine Lady hier kann, das Blut zum Sieden zu bringen.“
„Wie bitte?“
„Deine vermeintliche Köchin pflegt am Abend Männer zu unterhalten.“
Nonna fasste sich ans Herz. „Dio mio.“
„Das ist nicht wahr“, protestierte Lucinda. „Ich tue nichts dergleichen, Mrs. Romano. Ihr Enkel …“
„Und die Krönung von allem ist“, stellte Joe triumphierend fest, „sie ist noch nicht einmal Italienerin. Wie gefällt dir das, Nonna?“
Tränen schimmerten in Nonnas Augen. „Aber Sie sagten doch“, wandte sie sich an Lucinda, „Sie hießen …“
„Lucinda Barry, von den Barrys aus Boston.“ Hatte sie, Lucinda, das wirklich erwähnt? Vermutlich nicht, denn sie hasste diese Bezeichnung. Aber jetzt kam sie ihr sehr gelegen.
„Ich fasse noch einmal zusammen“, meinte Joe. „Sie kann nicht kochen. Sie ist keine Italienerin. Und sie mag Männer nicht nur, sie liebt sie.“ Er lächelte Lucinda an, der sogleich ein kalter Schauer den Rücken hinunterlief. Sie versuchte erneut, sich von ihm zu befreien, doch er hielt sie erbarmungslos fest. „Und weißt du was, liebe Nonna, ich finde, du hast trotzdem endlich die richtige Wahl getroffen.“
Seine Großmutter blickte ihn an, als glaubte sie, er hätte den Verstand verloren. Vielleicht hatte er es auch. Doch diese Gelegenheit, sich an ihr zu rächen, konnte er einfach nicht ungenutzt lassen. Und danach würde seine herzensgute, aber zuweilen verflixt lästige Großmutter nie wieder versuchen, ihn zu verkuppeln. Entschlossen umfasste er ihr Kinn und zwang Lucinda, ihn anzusehen.
„Ein Mann wäre dumm, sich von der richtigen Frau abzuwenden, wenn er sie einmal gefunden hat.“
„Welche richtige Frau?“, fragte Nonna verblüfft.
„Diese hier“, antwortete er zuckersüß und lächelte Lucinda an. „Die du höchstpersönlich für mich ausgewählt hast. Miss Lucinda Barry, von den Barrys aus Boston.“
Einen Moment lang herrschte Schweigen. Dann stöhnte seine Großmutter auf, Lucinda rang nach Atem, und er nutzte die Gelegenheit.
Er neigte den Kopf und küsste Lucinda.
7. KAPITEL
Der Kuss sollte eine Vergeltung sein. Zumindest hatte er, Joe, es sich so vorgestellt. Er wollte seiner Großmutter eine Lektion erteilen, die sie so schnell nicht vergaß, und Lucinda zeigen, wer hier das Sagen hatte. Der Kuss sollte eine süße Rache an den beiden Frauen sein, die ihm den Tag gründlich verdorben hatten. Er hatte ein Spaß sein sollen, aber keiner, der ihm, Joe, durch und durch ging. Ihm wurde ganz anders, als er ihren weichen Mund spürte, ihren warmen Atem, ihren zarten Körper …
„He!“ Entsetzt ließ er Lucinda los und wich zurück. Unwillkürlich legte er die Hand auf die Lippen und betrachtete dann verblüfft das Blut an seinen Fingerspitzen. „Sie haben mich gebissen“, sagte er verwundert.
„Ja, Sie … Sie …“
„Passen Sie auf, wie Sie meinen Joseph nennen.“
„Ihr Joseph“, wandte Lucinda sich zornig an die alte Lady, „ist ein nichtsnutziger, gemeiner Mist…“
„Er hat keinen Sinn für Humor“, erwiderte Nonna kühl. „Stimmt’s, Joey?“ Flehentlich sah sie ihn an. „Das war doch ein Scherz, nicht?“, fragte sie immer leiser. „Das mit dir und … dieser Frau.“
Joe blickte von einer zur anderen. Nonna machte eine besorgte Miene, während sich in Lucindas Gesicht helle Empörung spiegelte.
Ich werde den Moment noch zwei, drei Sekunden auskosten, überlegte er. Dann würde er ihr sagen, dass es natürlich ein
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