JULIA FESTIVAL Band 95
wich er aus, trat zurück und öffnete die Fahrertür. „Dies ist heute für dich angekommen.“ Er griff in das Handschuhfach und holte einen dicken Umschlag heraus.
Kayla überlegte einen Moment, ob sie sich so leicht vom Thema ablenken lassen sollte. Dann öffnete sie den Umschlag und zog einen dunkelblauen Pass hervor. Atemlos schlug sie ihn auf, betrachtete ihr Foto und blätterte die leeren Seiten durch.
Vor seinem inneren Auge sah Patrick, wie sich die Seiten mit Stempeln der Länder füllten, die Kayla besuchen würde. Sie war auf dem Sprung in eine Welt, in der kein Platz für ihn war. Sie wollte neue Abenteuer, er dagegen wollte Wurzeln schlagen.
„Jetzt wird es ernst. Paris, Monaco, ich komme!“ Sie blätterte erneut in den Seiten. „Es ist schon seltsam. Ich habe diese Reise seit Jahren geplant. Aber tief im Innern habe ich immer das Gefühl gehabt, dass etwas dazwischenkommen würde.“
„Behaupte ja nicht, dass du deine Pläne bereust“, zog er sie auf und war froh, dass seine Stimme normal klang. Kayla durfte auf keinen Fall erfahren, wie es in ihm aussah.
„Nein, das nicht.“ Sie sah ihn kurz an und wandte sich ab. „Aber die Dinge haben sich ein bisschen verändert. Manchmal frage ich mich, ob Paris wirklich mein Traumziel ist.“
Das war das Stichwort, erkannte Patrick. Er könnte Kayla sagen, was er für sie empfand, und sie bitten, bei ihm zu bleiben. Vielleicht würde sie es sogar tun. Aber was dann? Würde ihr seine Welt genügen? Wie lange würde es dauern, bis sie ruhelos wurde? Bis sie nach jenem Tornado Ausschau hielt, von dem sie gesprochen hatte? Seine Liebe zu ihr war langsam gewachsen. Er zweifelte nicht daran, dass sie für immer halten würde. Aber würde Kayla ihm glauben? Sie wollte das Ungewöhnliche: ein Märchen und einen Ritter in glänzender Rüstung.
Sollte ihr Weg sie zu ihm zurückführen, würde er ihr seine Gefühle gestehen. Aber vorher musste sie ihre eigenen Erfahrungen mit ihren Träumen machen. Davon war er überzeugt. Ihr Glück war ihm wichtiger als das eigene.
Und wenn er ein noch so großer Dummkopf war.
Am Nachmittag öffnete Kayla die Zwingertür, und Elizabeth trottete heraus.
„Braver Hund“, lobte Kayla, als die Colliehündin auf den Behandlungstisch sprang.
Elizabeth’ langes Fell musste regelmäßig gepflegt werden. Aber das machte Kayla nichts aus. Die Arbeit entspannte sie, und genau das brauchte sie jetzt. Allisons Familie hatte Rhonda zu sich genommen. Es war die richtige Entscheidung gewesen. Die kleine Hündin verdiente ein schönes Zuhause, und Allison war ganz vernarrt in Rhonda.
Doch das niedliche Tier fehlte Kayla. „Ihr werdet mir alle fehlen“, flüsterte sie.
Elizabeth sah sie fragend an, und Kayla streichelte die seidigen Ohren. „Tut mir leid. Ich jammere grundlos. Hör einfach nicht zu.“
Es klopfte an der Tür, und sie verzog den Mund. Ein einziger Mensch in der Klinik klopfte an, wenn sie einen Hund behandelte.
„Herein!“, rief sie und versuchte, sich ihre Verärgerung nicht anmerken zu lassen.
Wie erwartet, schlüpfte Dr. Melissa Taylor ins Zimmer. Trotz der späten Stunde – es war nach sechs Uhr abends – sah die Tierärztin aus, als wäre sie gerade aus dem Bad gekommen. Das lange leuchtend rote Haar lockte sich um ihre Schultern, und das Make-up betonte ihre großen, hübsch geschnittenen Augen.
Kayla hatte morgens auch geduscht und sogar Mascara verwendet. Doch fast zwölf Stunden später war ihre Kleidung voller Tierhaare. Sie roch wie ein Hund, und man sah ihr den langen Arbeitstag an.
Entweder hielt Melissa ständig ein Sortiment von Kosmetikartikeln und eine Auswahl an Kleidung zum Wechseln im Wagen bereit, oder sie kannte ein Geheimnis, hinter das Kayla noch nicht gekommen war.
Melissa deutete auf den Collie. „Das ist Elizabeth, ja? Sie nehmen sie regelmäßig mit zu den Senioren.“
Kayla zwang sich zu einem Lächeln. „Richtig.“
Melissa erwiderte ihr Lächeln und zeigte ihre perfekten Zähne. Hatte sie als Kind eine Zahnspange tragen müssen? Kayla hoffte es. Am besten diese große mit Gummibändern und einem Reif auf dem Kopf. Allerdings war Melissa eine Naturschönheit, wie Kayla zähneknirschend zugeben musste.
Melissa näherte sich Elizabeth und ließ den Hund an ihrer Hand schnüffeln. Der Collie wedelte mit dem Schwanz, und sie tätschelte sein Fell.
Kayla kümmerte sich nicht darum. Sie konnte die neue Tierärztin nicht leiden. Fachlich war allerdings nichts an ihr
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