JULIA FESTIVAL Band 95
Waisenhaus in finanziellen Schwierigkeiten steckte und keinen Leiter mehr besaß. Ich besaß inzwischen etwas Geld und suchte sowieso nach einer neuen Aufgabe, also griff ich zu.“
„Ich kenne dich inzwischen mit Anzug und Krawatte, aber ich muss sagen, Jeans kleiden dich viel besser.“
„Zumindest sind sie bequemer.“
Elissa versuchte geschickt, mehr von ihm zu erfahren. „Millie sagte mir, dass du in Ojai eine kleine Kanzlei hast, in der du noch als Anwalt arbeitest, um damit das Waisenhaus zu unterstützen.“
„Millie redet immer zu viel“, sagte er unbehaglich. „Ich bin kein Held. Ich war immer gerne Anwalt, und das Geld können wir sehr gut gebrauchen.“
„Redet ihr von mir?“ Millie betrat Elissas Büro. Und wenn sie sich darüber wunderte, dass Elissa und Cole auf dem Fußboden saßen und alte Fotos betrachteten, so ließ sie es sich zumindest nicht anmerken. Auf ihre Frage erwartete sie offensichtlich keine Antwort. „Hast du schon ein paar interessante Bilder gefunden?“, wandte sie sich stattdessen an Elissa. Da sie jetzt täglich miteinander zu tun hatten, waren sie bereits nach wenigen Tagen zum Du übergegangen.
„Ich denke schon. Ich habe jeweils die besten Fotos aus den verschiedenen Jahrgängen herausgesucht.“
„Sehr gut. Wer sind eigentlich diese drei Mädchen hier?“ Millie hielt das Foto von Elissa und ihren beiden Schwestern hoch. Sie drehte es um, um die Beschriftung zu lesen, und starrte Elissa entgeistert an, öffnete den Mund, brachte aber kein Wort heraus.
„Meine Schwestern und ich sind Drillinge. Als wir noch Kinder waren, haben wir in einer Fernsehserie mitgespielt, die von einem Waisenkind handelte. Unser erster Besuch hier diente also lediglich der Publicity. Unser Manager hatte die Idee. Aber danach sind wir regelmäßig gekommen und haben mit den Kindern hier gespielt.“
„Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, brachte Millie mühsam hervor.
„Ich auch nicht“, grinste Cole schadenfroh. „Ich sehe dich zum ersten Mal sprachlos.“
Millie winkte unwirsch ab. „Reg mich jetzt bloß nicht auf.“ Dann wandte sie sich wieder an Elissa. „Gibt’s die Serie denn noch?“
„Na klar. Sie läuft andauernd auf irgendeinem Kabelsender. Aber tue mir einen Gefallen, und behalt es für dich. Ich möchte nicht, dass darüber geredet wird. Es hat uns schon früher keinen Spaß gemacht. Meine Schwestern und ich waren nur sehr mittelmäßige Schauspielerinnen, aber unsere Mutter ließ leider nicht mit sich handeln.“
„Ihr wart also nicht an Ruhm und Geld interessiert?“
Elissa lächelte. „Vor siebzehn Jahren waren Kinderstars noch nicht so umjubelt wie heute. Wir hätten lieber mehr Zeit mit anderen Kindern verbracht, als ständig an irgendwelchen Promotionveranstaltungen teilzunehmen.“
„Was ist es eigentlich für ein Gefühl, ein Drilling zu sein?“, fragte Millie.
Cole beobachtete Elissa, während sie erzählte. Seltsam, er selbst hatte nie darüber nachgedacht. Für ihn war jede der Schwestern ein eigenständiges Wesen. Schon rein äußerlich unterschieden sie sich. Die Verschiedenartigkeit der Charaktere hatte ihre Züge geprägt. Fallon, die Älteste, hatte das Sagen, während Kayla, die Jüngste, eher abenteuerlustig war. Elissa hatte immer genug damit zu tun gehabt, Frieden zu stiften, und ordnete ihre eigenen Bedürfnisse oft genug den Wünschen der Schwestern unter. Während der kurzen Zeit ihres Zusammenlebens war es ähnlich gewesen. In den meisten Fällen hatte sie sich seinem Willen gebeugt.
Aber in den vergangenen Jahren hatte sie sich verändert. Ob ihre Schwestern den Unterschied ebenfalls bemerkten?
„Wie läuft’s denn so?“, fragte Fallon.
Elissa lehnte sich auf ihrem Bett zurück und stopfte sich einige Kissen hinter den Kopf. „Super“, erwiderte sie enthusiastisch.
„Lügnerin.“ Zärtlich drang die Stimme vom anderen Ende der Leitung an ihr Ohr. „Es läuft absolut nicht super, nicht einmal gut.“
„Woher willst du das wissen?“
„Erstens kenne ich Cole. Er wird es nicht so ohne Weiteres zulassen, dass du wieder an seinem Leben teilnimmst. Und zweitens kenne ich dich. Es muss ziemlich schlimm für dich gewesen sein, ihn nach so langer Zeit wiederzusehen. Also frage ich dich noch einmal. Wie läuft’s?“
Elissa schloss die Augen. Dies war einer jener Momente, in denen sie sich wünschte, als Einzelkind auf die Welt gekommen zu sein. Ständig musste sie die wohlmeinende Anteilnahme ihrer Schwestern
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