JULIA FESTIVAL Band 95
Tiffany oder vielleicht an seine eigenen Kinderträume?
„Hast du auch gehofft, dass dein Großvater dich holen würde?“
„Daran erinnerst du dich?“ Cole sah sie überrascht an.
„Natürlich. Ich war schließlich bei dir, als du seinen Brief bekamst.“
Cole lachte bitter. „Stimmt. Schlechte Nachrichten scheinen immer mit der Post zu kommen. Aber um auf deine Frage zurückzukommen. Ich habe tatsächlich darauf gehofft, dass mein Großvater mich holen würde – bis zu dem Tag, als er mir in einem Brief zu verstehen gab, dass ich ihn in Ruhe lassen sollte.“
Elissa erinnerte sich noch sehr gut an seinen Gesichtsausdruck, als er die entscheidenden Zeilen las. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Es war am Abend seiner Highschool-Abschlussfeier gewesen. Sie hatten sich wie gewöhnlich in den kleinen Obstgarten zurückgezogen, in dem sie sich kennengelernt hatten. Cole zog dort den Brief in freudiger Erregung aus der Hosentasche und hielt ihn ihr vor die Nase. „Er hat mir geantwortet, mein Großvater, meine ich“, hatte er erklärend hinzugefügt. „Seine Firmenadresse hatte ich mir über die Auskunft geholt. Vielleicht wusste er ja nicht einmal, dass er einen Enkel hat. Könnte doch sein.“
Obwohl Elissa damals erst dreizehn Jahre alt gewesen war, witterte sie Gefahr. Sie ahnte, was in dem Brief stand, denn eines wusste sie genau: Wohlhabende, einflussreiche Männer verloren niemanden einfach aus den Augen, an dem sie Interesse besaßen. Noch heute hätte sie dem alten Mann gern die Meinung gesagt.
„Er will mich nicht“, hatte Cole schlicht gesagt, und der Brief flatterte zu Boden. „Er hat die ganze Zeit gewusst, dass es mich gibt.“
Es war das einzige Mal gewesen, dass Elissa ihn hatte weinen sehen. Und es war das erste Mal gewesen, dass er sie in die Arme genommen hatte. In jenem Augenblick waren sie Freunde gewesen. In den Armen dieses Jungen, der auf der Schwelle des Erwachsenwerdens stand, hatte sie gelernt, was es bedeutete, den Schmerz mit jemandem zu teilen.
Allein die Erinnerung trieb Elissa die Tränen in die Augen. Er war immer so sorgsam darauf bedacht gewesen, niemanden zu nahe an sich heranzulassen, um keine Enttäuschung zu erfahren. Und nach der Zurückweisung durch seinen Großvater distanzierte er sich noch mehr. Nur sie, Elissa, hatte Zugang zu seinem Herzen gehabt. Sie begriff erst jetzt, welches Kleinod sie besessen hatte.
Erst jetzt konnte sie seine ständige Angst davor, verlassen zu werden, nachvollziehen. Erst jetzt begriff sie, welches Risiko er eingegangen war, als er sie heiratete. Und sie hatte ihn verlassen. Kein Wunder, dass er sie dafür hasste.
„Das Fatale an der Sache ist, dass er jetzt den Kontakt zu mir sucht.“
„Wie meinst du das?“ Elissa fiel es schwer, sich von der Vergangenheit loszureißen.
„Vor drei Jahren habe ich einen Brief von ihm bekommen, in dem er mich zu sich einlud. Er schrieb, dass ich mich nach bestandenem Examen und der Aufnahme in eine erfolgreiche Anwaltskanzlei der Familie würdig gezeigt habe und er die Absicht habe, mich mit offenen Armen zu empfangen.“
Obwohl seine Augen ausdruckslos blieben, wusste Elissa, wie sehr ihn diese Worte verletzt haben mussten.
„Und du hast ihm geantwortet, dass du kein Interesse mehr hättest.“
„Sinngemäß schon, nur waren meine Worte weniger freundlich.“
„Ich weiß, dass er sich dir gegenüber miserabel verhalten hat, aber trotzdem ist er ein Angehöriger. Und du wolltest doch immer zu einer Familie gehören.“
„Aber nicht so“, erwiderte Cole unnachgiebig. Er stützte die Arme auf den Tisch und beugte sich ein Stück vor. Die Hemdsärmel hatte er hochgeschoben, der weiße Stoff hob sich deutlich von den sonnengebräunten Armen ab.
Elissa betrachtete seine kraftvollen Hände – große Hände mit nahezu quadratischen Handflächen und langen Fingern. Hände, die ihr immer ein Gefühl von Sicherheit vermittelt hatten, auch wenn er es nicht glauben würde.
„Aber lass uns von was anderem reden als von der Vergangenheit. Wie geht’s deinen Schwestern?“
„Danke, gut. Ich soll dich übrigens von ihnen grüßen.“
Cole zog ungläubig die Augenbrauen hoch.
„Du glaubst mir nicht? Ich habe die Grüße nur nicht früher ausgerichtet, weil du immer so unfreundlich zu mir gewesen bist. Ich wusste ja nicht, ob deine Abneigung auch den Rest der Familie einschließt.“
„Ich habe deine Schwestern immer gemocht.“
„Na, dann können die sich ja glücklich
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