JULIA FESTIVAL Band 97
eingeredet, froh über seine Abreise zu sein, doch sehr schnell hatte sie ihr Verhalten bedauert. Sie hatte sich sogar ernsthaft gefragt, ob es voreilig gewesen war, seinen Heiratsantrag abzulehnen. Dass er ihr etwas bedeutete, konnte sie nicht leugnen. Wäre sie wirklich ein so großes Risiko eingegangen, wenn sie gehofft hätte, dass er auch etwas für sie empfand? Vermutlich würde sie es nie erfahren.
Ihren Wunsch respektierend, hatte er Luis nichts von der Schwangerschaft erzählt. Irgendwann würde sie es ihrem Stiefsohn sagen. Aber da er momentan mit seinen eigenen Problemen beschäftigt war, wollte sie damit bis nach der Geburt warten.
Jedenfalls war es nicht besonders klug, an Christian zu denken. Doch bevor sie schwach wurde und sich ein Leben mit ihm wünschte, musste sie sich nur vor Augen führen, was für ein Leben sie an der Seite von Tony geführt hatte, um sicher zu sein, dass sie diesen Fehler nicht noch einmal machen durfte. Außerdem wäre es diesmal viel schlimmer, denn sie hatte nie so viel für Tony empfunden, wie sie für Christian empfand.
Trotzdem war es eine schwierige Situation. Obwohl Olivia sich einredete, durchaus in der Lage zu sein, das Baby allein zu bekommen, wurde sie von Zweifeln geplagt. War es wirklich fair, wenn sie Christian das Recht verwehrte, an der Erziehung seines Kindes teilzuhaben? Und wie lange wollte sie dessen Identität geheim halten?
Irgendwann hatte sie sich Susannah anvertrauen müssen. Die Haushälterin hatte bereits erraten, dass sie schwanger war, und ihr versprochen, es für sich zu behalten.
„Es wird Ihnen guttun, Gesellschaft zu haben“, bemerkte sie, nachdem Luis abgereist war. „Ich wünschte nur, meine Tochter würde auch eine Familie gründen, statt für die Wissenschaft zu leben.“
Susannah war Witwe und ihre einzige Tochter arbeitete als Professorin für Geschichte an der Universität in Chicago. Natürlich war Susannah sehr stolz auf sie, sie vermisste sie auch sehr. Vielleicht würde es sie ein wenig ablenken, wenn sie Olivia half, sich um das Baby zu kümmern.
Kurz nach Luis’ Abreise beendete sie ihr Manuskript. Nachdem sie die Seiten ausgedruckt hatte, betrachtete sie zufrieden ihr Werk. Ich habe es geschafft, dachte sie. Sie hatte tatsächlich ihr erstes Buch geschrieben. Nun musste sie nur noch einen Verlag finden.
Aber bevor sie es verschickte, wollte sie eine neutrale Meinung hören und gab es Susannah zum Lesen, die vollkommen begeistert war.
Zwei Wochen nachdem sie das Manuskript abgeschickt hatte, passierte allerdings etwas, worüber sie ihr Buch schnell wieder vergaß. Bei einer Vorsorgeuntersuchung im Krankenhaus von San Gimeno erfuhr sie, dass ihr Baby nicht richtig lag.
Dem Arzt zufolge könnte es sich zwar durchaus noch drehen, sollte das jedoch nicht passieren, müsste ein Kaiserschnitt vorgenommen werden. Noch nie hatte Olivia sich so allein gefühlt, denn sie konnte sich nur Susannah anvertrauen.
Fairerweise musste sie zugeben, dass es ein Nachteil war, das Baby heimlich zu bekommen. Allein unter zahlreichen glücklichen Paaren am Geburtsvorbereitungskurs teilzunehmen, war ihr schon schwer genug gefallen, und angesichts des möglichen Kaiserschnitts überlegte sie nun, ob sie wirklich so eigenständig war, wie sie glaubte.
Dennoch wäre sie nie auf die Idee gekommen, Kontakt mit Christian aufzunehmen. Falls er wirklich etwas für sie empfunden hatte, war es bestimmt spätestens dann vorbei gewesen, als sie ihn weggeschickt hatte. Sie musste sich damit abfinden und die Zähne zusammenbeißen, schließlich hatte sie es sich selbst zuzuschreiben. Außerdem war sie kein Kind mehr und brauchte niemanden, der ihre Hand hielt.
Fünf Wochen vor dem Geburtstermin rief Christian sie an.
Weil sie annahm, es wäre Luis, ging Olivia selbst ans Telefon. Seit seiner Rückkehr hatte er sich jede Woche bei ihr gemeldet, um ihr mitzuteilen, dass es ihm gut ginge. Umso mehr erschrak sie, als sie Christians Stimme hörte.
„Olivia?“
„Ja, wer sollte sonst am Apparat sein?“ Was für ein Segen, dass sie sich am Sofa abstützen konnte, denn plötzlich hatte sie ganz weiche Knie. Einerseits freute sie sich, weil sie sich so danach gesehnt hatte, etwas von ihm zu hören, andererseits zerriss es ihr das Herz, weil es sie schmerzlich an das erinnerte, was sie niemals haben würde.
„Wie geht es dir?“, erkundigte er sich besorgt.
Prompt füllten sich ihre Augen mit Tränen. „Ganz … gut“, erwiderte sie und entschied, ihm
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