JULIA FESTIVAL Band 97
willst“, bemerkte er bitter. „Na gut. Vielleicht war mein Antrag etwas voreilig. Das bedeutet allerdings nicht, dass er nicht ehrlich gemeint war.“
„Das glaube ich dir doch.“ Und das tat sie auch. „Aber ich bin dir gegenüber auch ehrlich. Das weißt du doch, oder?“
„Ich glaube, du wirst mir nie verzeihen, dass ich die Situation damals ausgenutzt habe“, antwortete er resigniert. „Deiner Meinung nach bin ich nicht besser als Tony, weil ich in seiner Todesnacht mit dir geschlafen habe.“
Bevor Olivia etwas erwidern konnte, hatte Christian aufgelegt. Und obwohl sie sich einredete, dass es so besser war, hätte sie ihm gern noch erklärt, was sie empfand. Denn sie gab nicht ihm, sondern sich selbst die Schuld an dem, was geschehen war. Und nun war es zu spät, sich zu fragen, was passiert wäre, wenn sie ihrem Verlangen nicht nachgegeben hätten.
Der Anruf kam in den frühen Morgenstunden und schreckte Christian aus dem Schlaf, nachdem er eine halbe Flasche Whisky geleert hatte und dann eingenickt war. Seit Wochen hatte er kaum ein Auge zugetan.
Fluchend und mit zittriger Hand griff er nach dem Hörer. Momentan war er wirklich nicht in der Stimmung, mit irgendjemandem zu sprechen. „Ja“, meldete er sich schroff und fluchte erneut, als die Verbindung unterbrochen wurde.
Wütend knallte er den Hörer auf, bevor er wieder in die Kissen sank. Genau das, was ich gebraucht habe, dachte er. Ein anonymer Anrufer. Was waren das für Menschen, die andere mitten in der Nacht anriefen?
Da er nicht mehr schlafen konnte, stand er eine halbe Stunde später auf, ging zum Fenster und blickte hinaus. Draußen war alles ruhig, die Gartenanlage um den exklusiven Apartmentkomplex war vollkommen verlassen. Selbst der Wachmann war ausnahmsweise nicht zu sehen.
Unwillkürlich fragte sich Christian nun, ob es auf San Gimeno genauso heiß war wie in Miami. Als er vor einigen Tagen mit Olivia telefoniert hatte, hatte er sie nicht gefragt. Vermutlich war es dort ähnlich und somit für sie in ihrem Zustand ziemlich beschwerlich. Wenn er ihr doch nur irgendwie helfen könnte, aber sie wollte es ja nicht.
Bis zu seinem Anruf hatte er sich durch Luis auf dem Laufenden gehalten, indem er sich immer wieder beiläufig nach ihr erkundigte. So hätte er Bescheid gewusst, wenn irgendetwas passiert wäre. Luis dachte immer noch, er hätte etwas gegen Olivia, und er hatte ihn in dem Glauben gelassen.
Wer mochte ihn um diese Uhrzeit angerufen haben? Möglicherweise war es Luis, der wieder einmal in Schwierigkeiten steckte. Oder Dolores Samuels, die eingeschnappt war, als er sie endgültig in eine andere Abteilung versetzt hatte. Unfähig, ihre ständigen Anspielungen auf Olivia länger zu ertragen, hätte er ihr ansonsten sicher früher oder später die Wahrheit gesagt.
Und wie lautete die Wahrheit? Dass er Olivia liebte? Oder dass er den Verstand verlor, weil sie ein Kind von ihm erwartete und er nicht mit ihr zusammen sein konnte? Wahrscheinlich beides, überlegte er und fragte sich, wie er sie je davon überzeugen sollte, dass er es ernst meinte. Was für eine Ironie des Schicksals, dass die einzige Frau, die ihm etwas bedeutete, ihn für eine zweite Ausgabe ihres verstorbenen Mannes hielt, etwas, das er bisher auch tatsächlich immer hatte sein wollen.
Momentan hatte es keinen Sinn, Olivia umzustimmen. Sie war fest entschlossen, dieses Baby allein zu bekommen, und er durfte ihr nicht noch mehr Stress zumuten, als sie ohnehin schon hatte. Aber vielleicht wäre sie nach der Geburt bereit, noch einmal in Ruhe mit ihm zu reden. Allerdings gab er sich diesbezüglich keinen großen Illusionen hin.
Einige Male hatte er mit dem Gedanken gespielt, Nachforschungen anzustellen, um herauszufinden, an welchen Verlag sie ihr Manuskript geschickt hatte. Aber ihm war klar, dass sie fuchsteufelswild werden würde, wenn er sich einmischte. Auch diese Situation musste er so akzeptieren, wie sie war – zumindest bis zur Geburt des Babys.
Nachdem er sich wieder ins Bett gelegt hatte, schlief er irgendwann doch endlich ein, wachte allerdings bereits gegen sechs wieder auf. Nach dem Duschen versuchte er, sich zusammenzureißen, denn er dachte ständig an Olivia und stellte sich vor, wie sie wohl reagieren würde, wenn er noch einmal unerwartet bei ihr auftauchte …
Als Luis ihn um halb neun anrief, saß Christian bereits in seinem Büro, trank die fünfte Tasse Kaffee und versuchte, sich auf die neusten Wirtschaftsstatistiken zu
Weitere Kostenlose Bücher