JULIA FESTIVAL Band 97
Helen zerknirscht. „Dazu hat sie auch allen Grund, finden Sie nicht?“
„Weil ich dich auf einen Drink eingeladen habe? Was ist daran so schlimm? Ich möchte dich besser kennenlernen und hoffe, wir können Freunde sein.“
Freunde?
Sie ging nicht darauf ein, doch sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ihre Mutter die Freundschaft mit einem Mann billigen würde, der für ihren Vater arbeitete. Trotzdem war es gut zu wissen, dass er keine Hintergedanken hatte, und sie fühlte sich natürlich geschmeichelt, weil er sie wiedersehen wollte.
„Komm, ich nehme dir den Mantel ab“, sagte Milos nun, und obwohl sie ihren Parka am liebsten anbehalten hätte, zog sie den Reißverschluss hinunter. Außerdem fühlte sie sich in der modischen Bluse zwischen all den elegant gekleideten Frauen im Foyer lange nicht so deplatziert.
Er gab ihren Parka in der Garderobe ab, bevor er sie in die Cocktailbar führte, die sich an das bekannte Restaurant anschloss. Ein Ober wies ihnen einen Tisch in der Ecke zu, und nachdem sie sich gesetzt hatten, bestellte Milos Champagner.
Erst im Nachhinein war ihr klar geworden, dass sie lieber auf Alkohol hätte verzichten sollen. Zum einen war sie noch zu jung, und zum anderen hatte sie bis dahin immer nur Bier getrunken, und dann auch nur wenige Schlucke auf Partys, damit ihre Altersgenossen sich nicht über sie lustig machten.
Der Champagner schmeckte ihr viel besser. Außerdem beschwingte er sie, und Helen stellte erstaunt fest, dass sie angeregt mit Milos über ihre Fächer in der Schule und ihre Zukunftspläne plauderte.
Schließlich merkte sie, dass es bereits acht war, und als er sie zum Abendessen einlud, hätte sie es unhöflich gefunden, abzulehnen. Außerdem wollte sie es auch gar nicht. Sie war gern mit ihm zusammen und genoss die neidischen Blicke der übrigen weiblichen Gäste. Vor allem aber gefiel ihr, dass er ihr das Gefühl vermittelte, eine attraktive Frau zu sein, deren Gesellschaft er schätzte.
Dann rief Milos den Kellner und fragte ihn, ob im Restaurant ein Tisch frei sei. Dieser teilte ihm bedauernd mit, dass er erst um halb zehn etwas habe, und das war für Helen viel zu spät.
„Würden Sie bitte den Oberkellner herschicken?“, meinte Milos daraufhin höflich, aber bestimmt.
Dieser erschien sofort und wirkte ausgesprochen verlegen, weil er einem anscheinend wichtigen Gast einen Wunsch versagen musste.
„Wir wissen, dass Sie im Hotel sind, Mr. Stephanides“, sagte er. „Aber Sie hatten keinen Tisch reserviert, Sir, und einer unser anderen Gäste, Prinz Halil Mohammad, hat sich ganz kurzfristig mit seinem Gefolge angekündigt.“ Er machte eine entschuldigende Geste. „Es tut mir sehr leid, Sir.“
Milos betrachtete ihn kühl, und Helen bedauerte den armen Mann schon fast, als dieser fortfuhr: „Würden Sie vielleicht auch in Ihrer Suite zu Abend essen, Mr. Stephanides? Ich sorge dafür, dass Sie sofort bedient werden, natürlich auf Kosten der Hotelleitung.“
Daraufhin errötete Helen. Dann fiel ihr ein, dass sie nicht in seinem Schlafzimmer essen mussten, falls Milos tatsächlich eine Suite bewohnte.
„Ich glaube nicht“, erwiderte er kurz angebunden, weil er offenbar damit rechnete, dass sie Nein sagen würde. „Ich muss mir wohl etwas anderes einfallen lassen.“
„Mir macht es nichts aus.“
Sie konnte kaum fassen, dass sie es tatsächlich ausgesprochen hatte. Aber sie hatte vor dem Ober nicht kindisch wirken wollen.
„Bist du sicher?“
Als Milos sie nun ansah, verspürte sie wieder jenes erwartungsvolle Prickeln. Vielleicht lag es am Champagner, doch sie bedauerte keinesfalls, hierhergekommen zu sein. Es war viel aufregender, als einen weiteren langweiligen Abend mit Richard zu verbringen.
„Ja“, antwortete sie deshalb und hoffte, sie würde es später nicht bedauern.
11. KAPITEL
Die Zimmer befanden sich im Obergeschoss des Hotels. Helen nahm an, dass es sich um eine Penthousesuite handelte. Eine Flügeltür führte zu einem großen Wohnzimmer, und von dort gelangte man in weitere Räume, unter anderem ins Schlafzimmer. Beim Eintreten erschauerte sie ein wenig unbehaglich.
Sie hatten das Essen unten bestellt, und der Ober hatte ihnen versichert, dass sie nicht lange darauf warten würden. Als Helen sich umsah, stellte sie erleichtert fest, dass im Erker ein Tisch stand. Offenbar aßen die Gäste oft hier. Sie entspannte sich ein wenig.
„Möchtest du etwas trinken, solange wir warten?“, schlug Milos vor,
Weitere Kostenlose Bücher