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JULIA FESTIVAL Band 97

JULIA FESTIVAL Band 97

Titel: JULIA FESTIVAL Band 97 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ANNE MATHER
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Lucia brauchte wohl noch etwas Zeit, um sich zu beruhigen.
    Nachdem eine halbe Stunde vergangen war, fing Tess an, sich Sorgen zu machen. Alle möglichen Gedanken gingen ihr durch den Kopf. War Lucia wirklich so verzweifelt? So schlimm war die ganze Sache eigentlich nicht. Marco würde nichts passieren, falls er wirklich mit Ashley zusammen war.
    Nach fünfundvierzig Minuten beschloss Tess nachzusehen, was los war. Mit dem Sandwich in der Hand durchquerte sie den Verkaufsraum. „Signora di Castelli?“, rief sie und stieß die halb offene Tür des Büros auf. „Geht es Ihnen besser?“
    Die Frage hätte sie sich sparen können, denn das Zimmer war leer. Während sie sich Sorgen gemacht hatte, war Lucia durch die Hintertür verschwunden. Tess wusste nicht, ob sie sich freuen oder ärgern sollte. Natürlich war sie froh, dass die Frau weg war, aber sie hätte sich wenigstens verabschieden können. Da die Hintertür nur angelehnt war, vergewisserte Tess sich, dass nichts fehlte. Ihr Pass war noch in ihrer Tasche, und auch das Geld war noch da. Plötzlich runzelte sie die Stirn. Sie hätte schwören können, dass sie den Pass in das letzte Fach der Tasche gesteckt hatte. Jetzt befand er sich jedoch mit dem Portemonnaie in dem mittleren.
    Sie zuckte die Schultern. Wichtig war nur, dass nichts fehlte. Dann stellte sie die Kaffeemaschine an, setzte sich hin und aß das Käsesandwich. Während sie den Kaffee trank, öffnete sie die Schreibtischschublade. Sie suchte nichts Bestimmtes, aber sie wurde das seltsame Gefühl nicht los, dass irgendetwas anders war als zuvor. Doch auch hier schien nichts Wichtiges zu fehlen.
    Dennoch wurde sie ihre Zweifel nicht los. Hatte Lucia di Castelli etwa das Büro durchsucht, ehe sie gegangen war? Das würde auch erklären, warum Tess’ Pass nicht im richtigen Fach in ihrer Tasche gesteckt hatte und warum Lucia sich nicht verabschiedet hatte.
    Am Nachmittag konnte sie ein Bild verkaufen, und ein junger Franzose, der offenbar hier Urlaub machte, flirtete ungeniert mit ihr. Sie war jedoch nicht zum Flirten aufgelegt. Um nicht zu riskieren, dass Silvio sie vielleicht noch einmal zum Abendessen einlud, schloss sie den Laden etwas früher als sonst. Noch nie zuvor war ich so begehrt, dachte sie leicht spöttisch. Zu Hause in England hatte sie nur wenig Zeit für ein Privatleben, und unter den Kollegen war keiner, den sie besonders anziehend fand, obwohl alle sehr nett waren.
    Während des Studiums hatte sie eine Beziehung mit einem Kommilitonen gehabt. Als sie nach Derbyshire gezogen war, hatte er ihr geschrieben, er hätte eine andere Frau kennengelernt. Tess war eher erleichtert als enttäuscht gewesen. Mein Beruf füllt mich ganz aus, ich brauche sicher gar keinen Partner, überlegte sie, während sie zu Ashleys Wohnung fuhr.
    Plötzlich erinnerte sie sich an die Szene am Strand mit Castelli, verdrängte den Gedanken jedoch rasch wieder. Sie hatte ihn herausgefordert, und er war darauf eingegangen. Vielleicht hatte er sich geschmeichelt gefühlt, weil sie viel jünger war als er. Oder sie hatte ihm leidgetan, was ihr gar nicht gefallen würde. Jedenfalls hatte er überzeugend mitgespielt. Auch jetzt noch überlief es sie heiß, wenn sie an seine Küsse dachte. Dass er erregt gewesen war, hatte er nicht verbergen können. Trotzdem war es ihm offenbar leichtgefallen, sich von ihr zu lösen. Das tat weh. Es war wahrscheinlich ein Trugschluss gewesen zu glauben, er hätte sie genauso sehr begehrt wie sie ihn. Während sie sich ausgemalt hatte, wie aufregend es sein würde, von ihm geliebt zu werden, hatte er etwas ganz anderes vorgehabt.
    Aber was? Auf der Rückfahrt nach San Michele hatte er Ashley nicht mehr erwähnt. Deshalb war es eher unwahrscheinlich, dass er vor allem daran interessiert gewesen war, ihre Schwester zu finden. Hatte er etwa gehofft, sie würde ihm etwas verraten, was sie ihm bisher verschwiegen hatte, wenn er sie küsste? Hatte er geglaubt, sie wäre so verwirrt von seinen Zärtlichkeiten, dass er mehr erfahren würde, als sie ihm bisher anvertraut hatte? Auch das war wenig plausibel.
    Tess hatte sich auf der Rückfahrt nach seinen Zärtlichkeiten gesehnt. Er hingegen hatte über sein Weingut, die Weinlese und das Leben auf dem Land geredet. Er hatte so getan, als wäre nichts Außergewöhnliches geschehen und als spürte er nicht, was sie empfand.
    Das würde sie ihm nie verzeihen. Es war schlimm genug, dass er sie zurückgewiesen hatte. Aber noch schlimmer war, dass er

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