JULIA FESTIVAL Band 97
Nacht hätte ihm etwas bedeutet. Nachdem er drei Tage nichts von sich hatte hören lassen, konnte das einfach nicht stimmen. „Du benutzt mich nur, um an Ashley heranzukommen. Aber dazu brauchst du mich nicht. Sie braucht mich auch nicht, sie kann auf sich selbst aufpassen.“
„Du bist vielleicht beunruhigt, weil es so schwierig war, einen Platz in einem Flieger nach London zu bekommen“, fuhr er fort und ignorierte ihre Bemerkung.
„Woher weißt du das?“
Er beantwortete die Frage nicht. „Du befürchtest, du würdest nicht rechtzeitig vor Schulbeginn zu Hause sein“, sagte er stattdessen. „Ich garantiere dir jedoch, dass du übermorgen zurückfliegen kannst, wenn du morgen Abend mit deiner Schwester zu mir kommst.“
„Nein!“ Tess war empört über seinen Versuch, sie zu manipulieren.
„Okay. Wenn du dich weiterhin weigerst zu kooperieren, muss ich andere Maßnahmen ergreifen. In dem Fall werde ich die Polizei einschalten“, erklärte er hart.
Raphael hatte versprochen, einen Wagen zu schicken. Und wirklich, pünktlich um halb acht fuhr eine schwarze Limousine vor dem Haus vor. Tess hatte sich schließlich dazu durchgerungen, zu tun, was Raphael von ihr verlangte.
Sie konnte ihrer Schwester nicht verzeihen, dass sie sie in die Sache hineingezogen hatte. Tess hatte begriffen, dass die Castellis sich über alles hinwegsetzen würden, um ihre Ziele zu erreichen. Trotz Ashleys Zuversicht war Tess davon überzeugt, dass ihr einiges bevorstand.
Ashley war natürlich hocherfreut gewesen, als Tess verkündet hatte, sie würde nun doch mitkommen. Dass Raphael gedroht hatte, die Polizei einzuschalten, beeindruckte sie nicht.
„Das würde er nie tun“, behauptete sie. „Oder vielleicht doch, wenn wir nicht zusammen bei ihm erscheinen“, fügte sie rasch hinzu, damit Tess es sich nicht schon wieder anders überlegte.
Den ganzen Tag war Ashley auf der Suche nach einem neuen Kleid durch die Geschäfte gelaufen. Sie riet Tess, sich auch eins zu kaufen. Aber dafür wollte sie kein Geld verschwenden. Sie war sowieso davon überzeugt, der Abend würde eine einzige Katastrophe werden. Sich für einen so unerfreulichen Anlass elegant zu kleiden, hatte sie für überflüssig gehalten.
Während sie Lidschatten auftrug, wünschte sie jedoch, sie hätte Ashleys Rat beherzigt. In dem eleganten weißen Seidenkleid sah ihre Schwester mit ihrem dunklen Haar und der schlanken Gestalt ausgesprochen schön aus. Neben ihr war sie sich klein und unscheinbar vorgekommen.
Als sie jetzt nebeneinander im Fond der Limousine saßen, gestand Tess sich ein, dass sie nie mit ihrer Schwester konkurrieren konnte. Obwohl ihr das schlichte, aber elegante schwarze Seidenkleid gut stand, kam sie sich ziemlich bescheiden vor. Ihre schönen, schlanken Beine waren leicht gebräunt, doch sie waren nicht so lang wie Ashleys. Außerdem war Ashley perfekt frisiert, während sie ihr relativ kurzes Haar nur gebürstet hatte.
Bis zur Villa Castelli waren es ungefähr dreißig Kilometer. Der Chauffeur, ein Mann mittleren Alters, erklärte ihnen, sie würden eine halbe Stunde brauchen.
Obwohl Tess sich die Villa groß und wunderschön vorgestellt hatte, übertraf sie alle Erwartungen. Sie schien über dem Tal, in dem sich der Nebel ausbreitete, zu schweben, und lag zwischen hohen Bäumen verborgen, was ihr etwas märchenhaft Unwirkliches verlieh. Die Wolken am Himmel, der sich in der untergehenden Sonne orange und rot färbte, sahen aus wie hohe Berge. Es war ein traumhaft schöner Anblick.
„Was hältst du davon?“, fragte Ashley leise, während der Chauffeur die Auffahrt hinauffuhr, die von Zypressen und blühendem Oleander gesäumt war.
„Es ist sehr beeindruckend“, erwiderte Tess. „Und du? Wie findest du es?“
„Vergiss bitte nicht, ich war bereits schon einmal hier“, erinnerte Ashley sie.
Tess fühlte sich immer unbehaglicher. So viel Schönheit war geradezu einschüchternd. Wir gehören nicht hierher, dachte sie.
„Hinter dem Haus ist eine überdachte Terrasse“, erzählte Ashley. „Dort haben Marco und ich ein Glas Wein getrunken. Er wollte mir die Aussicht zeigen. Auf seine Art ist er wirklich nett.“ Sie seufzte und zuckte die Schultern. „Ich könnte mich daran gewöhnen, so zu leben.“
„Wir sind nicht hier, um über so etwas nachzudenken“, mahnte Tess sie.
„Ich weiß. Trotzdem darf ich träumen, oder?“, entgegnete Ashley. „Ach, wahrscheinlich würde ich mich früher oder später langweilen. Aber
Weitere Kostenlose Bücher