JULIA FESTIVAL Band 97
durften.“
„Nein, du hast mich falsch verstanden.“ Tess musste ihn aufhalten, ehe er endgültig aus ihrem Leben verschwand. Deshalb versperrte sie ihm den Weg, als er den Raum durchqueren wollte. „Raphael, ich hatte solche Angst, dich nie wiederzusehen.“
Er sah sie so erstaunt an, als könnte er nicht glauben, was er soeben gehört hatte. „Heißt das, du kommst zu mir?“, fragte er rau. Tess nickte und merkte, dass seine Hand, die er in ihren Nacken legte, leicht zitterte.
Am liebsten hätte Tess ihn umarmt und ihm alle Zweifel weggeküsst. Bei dem Gedanken, ihn zu küssen, überlief es sie heiß. Sie sehnte sich viel zu sehr nach ihm.
„Wie lange wärst du bereit, bei mir zu bleiben?“
„Wie lange soll ich denn bleiben?“, antwortete sie mit einer Gegenfrage. Ihr warmer Atem streifte sein Kinn. Tess stellte sich so dicht vor ihn, dass sie nur noch eine Handbreit voneinander entfernt waren.
„Für immer“, erwiderte er. Doch dann schüttelte er den Kopf, als ärgerte er sich über sich selbst. „Du hast sechs Wochen Ferien, oder? Davon könntest du sicher vier Wochen …“ Er verstummte.
Sekundenlang war Tess sprachlos. Raphael wollte wirklich mit ihr zusammenleben. Es lag nur an ihr, wie lange sie bei ihm blieb. So mutig, wie sie es nie für möglich gehalten hätte, schlug sie vor: „Was hältst du davon, dass ich für immer bei dir bleibe?“
Raphael stöhnte leise auf. „Meinst du das ernst?“
„Natürlich“, flüsterte sie und legte ihm die Hand auf die Wange. „Wolltest du das hören?“
„Ja.“ Seine Stimme klang rau. Er küsste ihr die Hand, ehe er den Kopf neigte und seine Lippen auf ihre presste.
Sie schmiegte sich an ihn und spürte, wie heftig sein Herz klopfte. Sie spürte auch, wie sehr er sich bemühte, sich zu beherrschen. Aber er begehrte sie genauso sehr wie sie ihn. Nachdem er sie zunächst innig und liebevoll geküsst hatte, wurden seine Küsse immer leidenschaftlicher und ungestümer. Dann umfasste er ihre Brüste und streichelte die aufgerichteten Spitzen. Sie wünschte sich, sie wären allein und er würde ihre nackte Haut berühren.
„Raphael …“, rief sie aus, als er sich schließlich von ihr löste.
„Liebes, ich begehre dich. Das darfst du nie bezweifeln. Aber nicht hier in diesem Büro.“ Er lächelte. „Mrs. Peacock wäre entsetzt, meinst du nicht auch? Komm, zeig mir deine Wohnung.“
Tess’ Apartment lag im Erdgeschoss eines viktorianischen Stadthauses ungefähr eine Meile von der Schule entfernt. Raphael hatte zu ihrer Überraschung einen Kleinwagen gemietet.
„Ich kenne mich hier in der Gegend etwas aus“, erzählte er unterwegs. „Als junger Mann habe ich Höhlenforschung betrieben.“
Tess legte ihm die Hand auf das Bein. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du den ganzen Weg gekommen bist, um mich zu sehen.“
„Nicht nur, um dich zu sehen, sondern um dir zu sagen, dass ich dich für immer bei mir haben möchte“, erklärte er.
Als Tess die Tür zu ihrem Apartment aufschließen wollte, zitterten ihre Hände so sehr, dass Raphael ihr helfen musste. Und kaum hatten sie die Tür hinter sich zugemacht, zog er Tess an sich und küsste sie zärtlich.
„Ich wohne schon seit beinahe neun Jahren hier“, sagte sie später, während sie ihn durch die Wohnung führte. „Die Wände habe ich selbst gestrichen. Wie gefällt es dir?“
„Es ist ganz entzückend“, antwortete er. Sie hatte das Gefühl, er meinte es ehrlich. „Immer wieder habe ich versucht, mir vorzustellen, wie du lebst.“ Er lächelte liebevoll. „Eins wusste ich genau: Du bist sehr ordentlich.“
„Das hört sich langweilig an.“ Es war falsch, ihn mitzunehmen, überlegte sie. Sie wusste nicht, wie sie die Befangenheit, die plötzlich zwischen ihnen herrschte, auflösen sollte.
Während sie den Kessel mit Wasser füllte und zwei Tassen aus dem Schrank nahm, stellte Raphael sich hinter sie. Er hatte den Mantel ausgezogen und legte ihr die Arme um die Taille.
„Liebes, du bist überhaupt nicht langweilig, sondern ganz bezaubernd. Bist du wirklich bereit, dein Leben in England aufzugeben und für immer bei mir zu bleiben?“
„Diese Frage habe ich dir doch schon beantwortet“, erwiderte sie. Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn an. Dann umfasste sie sein Gesicht mit beiden Händen. „Ich mache alles, was du willst. Das weißt du.“
„Es ist ein bedeutsamer Schritt“, stellte er fest.
Tess war sich bewusst, dass er sich zu nichts verpflichtet
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