JULIA FESTIVAL Band 97
erzählt, und der Arzt war an seine Schweigepflicht gebunden.
Offenbar litt sie unter Verfolgungswahn. Sie hatte nichts getan, was jemanden zu der Annahme, dass sie schwanger war, hätte verleiten können, schon gar nicht Christian. Sicher rief er sie wegen des Nachlasses an. Aber warum hatte er sich dann nicht mit Luis in Verbindung gesetzt?
„Das verstehe ich nicht“, sagte sie betont distanziert. „Was lässt … ließ sich nicht vermeiden?“
„Luis liegt in San Francisco im Krankenhaus“, erklärte Christian ohne Umschweife, und sie war froh, dass sie bereits saß, so sehr schockierten sie seine Worte.
„Im Krankenhaus?“, wiederholte sie schwach, während sie automatisch den Griff um den Hörer verstärkte. „Himmel, Christian! Was ist passiert? Ist er krank?“
„Nein“, erwiderte er schnell. „Er ist mit dem Wagen gegen eine Mauer gerast und hat einen Beckenbruch, Abschürfungen, eine Gehirnerschütterung …“ Er machte eine kurze Pause. „… und zuerst bestand auch Verdacht auf Halswirbelbruch. Aber er liegt nicht im Sterben, Olivia“, fuhr er fort. „Seine Wirbel sind nur geprellt. Mithilfe der Ärzte und viel Geduld wird er sicher wieder völlig hergestellt.“
„Bist du sicher?“, fragte sie schluckend.
„Ja.“ Christian atmete hörbar aus. „Ich bin kein Experte, Olivia. Aber so weit ich weiß, wird dein kostbarer Junge bald wieder der Alte sein.“
Unwillkürlich verspannte sie sich. „Spar dir deinen Sarkasmus, Christian. Tony und du, ihr wart schon immer geldgierig und machtbesessen. Aber Luis ist anders. Für ihn gibt es Wichtigeres im Leben.“
„Ach ja?“, erwiderte er eisig. „Ich schätze, dass er deswegen einen Porsche Turbo statt des GT gefahren ist.“
Wütend presste sie die Lippen zusammen. „Sag mir nur, wo er ist“, bat sie kühl. „Ich möchte ihn sehen.“
„Dazu besteht überhaupt kein Anlass.“
„Was soll das heißen, verdammt?“ Ihre Sorge war jetzt blanker Wut gewichen. „In welchem Krankenhaus liegt er? Wenn du es mir nicht verraten willst, werde ich es auch so herausfinden …“
„Ganz ruhig, ja?“, bat Christian.
Wenn sie sich doch nur nicht so hilflos fühlen würde! „Du kannst mich nicht davon abhalten, ihn zu besuchen, Christian.“
„Das versuche ich doch auch gar nicht!“, rief er verärgert. „Aber was willst du um Himmels willen in San Francisco, Olivia? Ich habe veranlasst, dass Luis morgen nach Miami geflogen wird.“
„Du hast was ?“, fragte sie fassungslos.
„Ich glaube, du hast mich ganz gut verstanden.“
„Aber …“ Fassungslos rang sie nach Worten. „Dazu hattest du kein Recht.“
„Nein?“
„Nein! Es ist viel zu früh, um ihn zu verlegen. Du sagtest, er hätte einen Beckenbruch. Und was ist mit der Gehirnerschütterung?“
„Mit der leichten Gehirnerschütterung“, sagte er so ruhig, dass sie hätte schreien mögen. „Er wird es überleben.“
„Trotzdem hättest du ihn nicht so schnell verlegen lassen dürfen“, beharrte sie wütend. „Nur weil du keine Zeit hast, ihn dort zu besuchen, riskierst du, dass es Komplikationen gibt.“
„Glaubst du das wirklich?“
Als sie hörte, wie schwer Christian jetzt atmete, war sie einen Moment versucht, nichts mehr zu sagen. Aber weil sie sich auch nicht von ihm einschüchtern lassen wollte, antwortete sie: „Ja.“ Und nach einer Pause fügte sie trotzig hinzu: „Und ich bin sicher, dass Tony das auch geglaubt hätte.“
„So, bist du?“ Selbst durchs Telefon merkte sie, dass er sich nur noch mühsam beherrschte. „Nur zu deiner Information, querida : Sein Arzt hat Luis eingehend untersucht und den Transport nach Miami bewilligt. Er wird mit einem Ambulanzflugzeug nach Miami und von dort mit einem Hubschrauber zum ‚Sacred Heart‘ gebracht. Beruhigt dich das?“
Nervös befeuchtete sie sich die Lippen. „Ich … ich denke schon.“
„Gut“, meinte er spöttisch. „Dann stellt sich nur noch die Frage, wann du nach Miami kommst, um ihn zu besuchen.“
Oh nein! Verzweifelt sank Olivia gegen die Lehne des Sofas. Natürlich hatte sie das kommen sehen, doch sobald Christian die Worte ausgesprochen hatte, war die Vorstellung noch viel bedrohlicher.
„Du … du hast gesagt, Luis wird morgen nach Miami gebracht?“, stammelte sie, um Zeit zu gewinnen.
„Ja“, bestätigte Christian. „Allerdings wäre es in Anbetracht des Zeitunterschieds besser, wenn du frühestens übermorgen kommen würdest“, fuhr er trocken fort. „Ich
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