JULIA FESTIVAL Band 98
zu singen.“
Er starrte weiter an die Decke, aber es zuckte ein wenig um seine Mundwinkel. Ihre Söhne fanden ihre Stimme furchtbar und flehten sie an, nicht zu singen.
Sie beugte sich über ihn. „Oder ich starre dich einfach an.“ Sie riss die Augen so weit wie möglich auf und zwang sich, nicht zu blinzeln.
Brad presste die Lippen zusammen, aber es half nichts. Zuerst lächelte er, dann kicherte er und wandte sich ab. „Hör auf, mich so anzugucken!“
Sie entspannte ihre Gesichtsmuskeln und lehnte sich zurück. „Ich höre nur damit auf, wenn du mit mir redest.“
Er drehte sich zu ihr um, aber er blickte nicht sie an, sondern die Bettdecke. „Hast du Dad noch lieb?“
Sie zögerte. Brad wollte nicht oft über dieses Thema reden, aber wenn er es zur Sprache brachte, war es ihr unangenehm. Sie wählte stets die leichte Antwort statt der Wahrheit, weil Brad die nicht hören wollte. Weil er seinen Vater in guter Erinnerung behalten sollte.
„Natürlich hab ich ihn noch lieb. Warum fragst du?“
Er zuckte die Achseln.
„Ist es wegen Nash? Befürchtest du, dass zwischen uns was läuft?“
Erneut ein Achselzucken.
„Er ist nett, und ich mag ihn, aber das bedeutet nichts. Er ist auf Urlaub hier, und wenn dieser Urlaub vorbei ist, geht er zurück nach Chicago.“
Und dort buhlten vermutlich Dutzende von eleganten, schönen Frauen um die Gunst des gut aussehenden Witwers. Dort würde er sich nicht mal an die ledige Mutter mit drei Kindern erinnern, die peinlicherweise in ihn verknallt war.
„Willst du mit ihm … na ja, du weißt schon, ausgehen?“
Noch vor zwei Wochen hätte sie ihm geantwortet, dass sie nie wieder mit einem Mann auszugehen gedachte. Aber durch Nashs Gegenwart hatte sie gemerkt, dass eine gewisse Leere in ihrem Leben herrschte und sie hin und wieder nichts gegen männliche Gesellschaft einzuwenden hatte. Allerdings zog sie es vor, mit Nash im Haus zu bleiben, und daher entsprach es der Wahrheit, als sie erklärte: „Ich kann mir nicht vorstellen, mit Nash auszugehen. Aber dein Dad ist seit drei Jahren fort. Meine Gefühle zu ihm haben sich nicht geändert, aber irgendwann werde ich wieder mit einem Mann ausgehen wollen.“
Tränen traten in Brads Augen. „Warum? Warum kannst du Dad nicht einfach lieb haben?“
„Weil er fort ist.“ Sie zog ihn vom Bett hoch und schloss ihn in die Arme. „Wenn du erst mal etwas älter bist, wirst du Mädchen nicht mehr so furchtbar finden und dir vielleicht sogar eine Freundin zulegen.“
Er wand sich in ihren Armen und rief entsetzt: „Mo-om!“
„Mal angenommen, du hast eine Freundin, die du wirklich magst. Hast du deine Brüder dann immer noch lieb?“
„Was hat das denn damit zu tun?“
„Antworte einfach. Hast du sie dann noch lieb?“
„Wahrscheinlich. Wenn sie sich nicht zu blöd benehmen.“
„Hast du mich dann noch lieb?“
„Na klar.“
„Darauf will ich hinaus. Das menschliche Herz ist so groß, dass wir so viele Leute lieb haben können, wie wir wollen. Ob ich wieder ausgehe oder nicht, ändert nichts an meinen Gefühlen für dich, die Zwillinge oder Dad.“
„Aber ich denke lieber von dir mit Dad.“
„Das kannst du ja auch. Ich habe ihn nicht verlassen, Honey. Er ist gestorben. Wir haben um ihn getrauert, und wir haben ihn noch lieb. Das ist richtig so. Aber es ist auch richtig, unser Leben zu genießen. Meinst du nicht, dass dein Dad gewollt hätte, dass wir glücklich sind?“
Brad nickte nachdenklich. „Aber du gehst nicht mit Nash aus?“
„Nein.“
„Versprochen?“
„Ja. Aber darüber hinaus wirst du mein Leben nicht diktieren, junger Mann. Sollte ich beschließen, mit jemandem auszugehen, wirst du es akzeptieren müssen. Okay?“
„Ja.“
„Gut.“ Sie küsste ihn auf die Stirn und deckte ihn zu, bevor sie sein Zimmer verließ.
Während sie die Treppe hinunterging, fragte sie sich, seit wann Brad in Nash eine Bedrohung sah. Spürte er unbewusst die starke Anziehungskraft zwischen ihnen? Nicht, dass es bedeutungsvoll war. Sie hatte guten Gewissens versprochen, nicht mit Nash auszugehen. Irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass er sie zum Dinner und ins Kino einlud. Er war eher der Typ für Spaziergänge am Fluss und leidenschaftliche Küsse in den baufälligen Gemäuern des alten Schlosses.
Stephanie lächelte. Zumindest war er dieser Typ in ihrer Fantasie. Da es weder einen Fluss noch ein Schloss in der Nähe gab, war sie vermutlich in Sicherheit – wo sie nicht unbedingt sein
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