JULIA FESTIVAL EXTRA Band 04
Nicole im Schatten der Bäume die Straße entlang, bekleidet mit flachen Sandaletten an den nackten Füßen, einem durchgeknöpften, ärmellosen gelben Kleid, das ihre schlanke Figur sanft umspielte, und einem Strohhut, den eine große Sonnenblume schmückte … und brauchte nicht einen Gedanken daran zu verschwenden, was man von ihr dachte. Hier musste sie keine Studenten unterrichten, keine Akademikerkollegen mit ihren politischen Parolen ertragen und sah sich keiner Kritik an der Biografie ihres Vaters, die sie geschrieben hatte, ausgesetzt.
Freiheit … Nicole lächelte glücklich. Es war wie der Beginn eines neuen Lebens, auch wenn ihre Arbeit während der nächsten sechs Monate darin bestehen würde, gerade die Vergangenheit anderer Menschen zu recherchieren und eine Chronik zu schreiben. Doch dies war eine Vergangenheit, die sie nicht persönlich betraf, sondern die Geschichte einer Familie, die viel erlebt, ertragen und überlebt hatte und gestärkt daraus hervorgegangen war. Eine Familie, wie sie, Nicole, sie nie besessen hatte. Das machte den zusätzlichen Reiz dieses Auftrages aus: herauszufinden, wie es war, wenn man in einer Gegend und in einer Familientradition tief verwurzelt war.
Sie erreichte die Macrossan Street und kam an dem King-Bürokomplex vorbei, von wo aus Alessandro seine eigene Immobilien- und Investment-Gesellschaft managte ebenso wie die Zuckerrohrplantagen aus dem Familienbesitz. Am Yachthafen, ein Stück weiter die Wharf Street hinunter, befand sich, wie Nicole wusste, das Hauptquartier der „Kingtripper Company“, die Antonio aufgebaut hatte und die Chartertouren zum Great Barrier Reef auf großen Katamaranen anbot. Daneben kümmerte sich der zweite der King-Brüder um die Teeplantagen der Familie.
Nicole wandte sich aber nun in die Owen Street, die zum Busdepot und der Hauptgeschäftsstelle von „KingTours“ führte. Das Bus- und Transportunternehmen war allein Matteos Sache, und eine der Rundfahrten, die er anbot, führte zu seiner Farm für exotische Früchte, einem Ableger der tropischen Obstplantagen, die er für die Familie leitete.
Interessanterweise hatte keiner der drei Brüder sich damit begnügt, einen Teil des breit gestreuten, Gewinn bringenden Familienbesitzes zu übernehmen, sondern jeder von ihnen hatte noch ein ganz eigenes, selbstständiges Unternehmen gegründet. Unternehmergeist und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, schienen ein sehr starker Zug in dieser Familie zu sein. Vermutlich war es das Pionierblut, das in ihren Adern floss, oder ganz einfach der typisch männliche Trieb, immer neue Territorien zu erobern.
Alessandro und Antonio waren auf jeden Fall ganz anders als alle Männer aus der Großstadt, die Nicole bislang kennengelernt hatte. Bei allem höflichen, zivilisierten Benehmen strahlten sie eine viel aggressivere Männlichkeit aus. Nicole konnte sich gut vorstellen, wie die beiden Schulter an Schulter in eine Schlacht zogen in der sicheren Zuversicht, dass nichts sie schlagen konnte. Würde auch der dritte, der jüngste Bruder, diesem Bild entsprechen?
Ziemlich gespannt betrat Nicole also die Geschäftsstelle von „KingTours“. Hinter dem großen Schreibtisch im Empfangsbereich saß ein junger Mann von etwa neunzehn Jahren mit einem netten, offenen Gesicht. Er blickte von seinem Bildschirm auf, musterte Nicole kurz von Kopf bis Fuß und lächelte. „Miss Redman?“
„Ja.“
Der junge Mann deutete auf eine Tür. „Gehen Sie gleich durch ins Büro. Der Boss hat alle Karten für Sie bereit.“ Augenzwinkernd fügte er hinzu: „Ich habe die wichtigsten Orte und Anfahrten selbst markiert, sodass Sie sich nicht verirren können.“
Offenbar hatte man ihm glaubhaft gemacht, dass sie kein besonderes Orientierungsgenie sei. Doch ehe Nicole ihn danach befragen konnte, war er bereits aufgesprungen und hielt ihr die Tür zum Büro seines Chefs auf. „Miss Redman, Boss.“
Nicole blieb nicht einmal die Zeit, ihren Strohhut vom Kopf zu nehmen, da sah sie sich schon Matteo King gegenüber … und schluckte beeindruckt. Ganz anders als Alessandro und ganz anders als Antonio, die beide ohne Zweifel sehr gut aussehende Männer waren. Dieser Mann war geradezu sündhaft attraktiv und so sexy, dass einem der Atem stockte.
Tiefschwarze, glänzende Locken luden förmlich dazu ein, dass man sie berührte. Das männlich markante Gesicht wurde von ausdrucksvollen dunkelbraunen Augen beherrscht, die jede Frau zum Träumen bringen mussten, der
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