JULIA FESTIVAL EXTRA Band 04
und Spitze kleidete!
Mit diesen ernüchternden Gedanken im Sinn betrat sie das Kinderzimmer in der Erwartung, dort Rosita vorzufinden. Stattdessen erblickte sie ihren Sohn in den Armen genau jenes Mannes, der ihr das Herz so schwer machte.
Völlig überrascht, verharrte sie wie angewurzelt auf der Schwelle. Alessandro King hatte ihr den Rücken zugewandt, dennoch konnte kein Zweifel daran bestehen, dass er es war. Er hielt den Kopf über das Kind in seinen Armen gebeugt, über seine Armbeuge lugten Marcos dunkle Locken. Offensichtlich hatte Alessandro den Kleinen beruhigt und wiegte ihn nun sanft zurück in den Schlaf.
Gina wusste nicht, was sie davon halten sollte. Alessandro trug immer noch seinen Smoking. Die Bettdecke auf Marcos Bettchen war zurückgeschlagen, obwohl sie, Gina, sich ganz sicher war, dass sie Marco sorgfältig zugedeckt hatte. Was war geschehen? Warum war Alessandro hier bei ihrem Sohn und nicht bei seiner Verlobten? Wie viel Uhr war es überhaupt?
An einer Wand im Kinderzimmer hing eine Uhr in Form eines bunten Seepferdchens. Die Zeiger zeigten kurz vor halb zwei. Die Hochzeitsfeier hatte um zwölf Uhr Mitternacht enden sollen, und im Schloss und draußen schien alles still zu sein. Offenbar hatte Alessandro Michelle nach Hause gefahren und war dann wieder zurückgekommen. Aber das beantwortete nicht die Frage, warum er sich hier im Kinderzimmer befand. Vielleicht hatte er ja auf dem Weg nach oben in sein Zimmer Marco weinen hören.
Mit angehaltenem Atem beobachtete Gina, wie Alessandro Marco behutsam in sein Bettchen zurücklegte und ihn dann fürsorglich zudeckte. Er vergaß nicht einmal, die Bettdecke in Schulterhöhe seitlich fest unter die Matratze zu klemmen. Dann begutachtete er sein Werk, bevor er sich befriedigt herabbeugte und Marco zart auf die Stirn küsste.
Diese liebevolle Handlungsweise rührte Gina zutiefst. Angelo hätte das Gleiche getan, wenn er noch gelebt hätte. Es war einfach nicht fair, dass ausgerechnet Alessandro King diese väterliche Fürsorge ihrem Sohn gegenüber an den Tag legte und ihr damit die große Leere bewusst machte, die der Tod ihres Mannes hinterlassen hatte. Die Bande, die Alessandro knüpfte, waren viel zu vertraulich, weil sie nie eine wirkliche Bedeutung erlangen konnten.
Alessandro wandte sich von dem Kinderbett ab und wollte zu der Tür, die auf den Flur hinausführte. In diesem Moment musste er Ginas Anwesenheit bemerkt haben, denn er drehte sich plötzlich zu ihr um, sah sie an und erstarrte.
Sie spürte, wie ihr die Knie weich wurden. Ihr Herz klopfte wie wild. Sie hätte nicht bleiben und ihn beobachten dürfen. Das war dumm … und gefährlich gewesen. Nun sah er sie forschend an, und die Intensität seines Blickes raubte ihr den Atem. Die Luft zwischen ihnen schien förmlich zu knistern.
Gina hatte keine Ahnung, wie lange sie sich so reglos gegenüberstanden. Zerstreut fiel ihr auf, dass Alessandro seine Fliege gelockert und den obersten Knopf seines Hemdes aufgeknöpft hatte. Und ihm entging sicher nicht, dass ihr Haar vom Schlaf zerzaust und ihre Bekleidung alles andere als mütterlich war.
Alessandro machte einen Schritt auf sie zu, hielt inne und blickte zurück, als wollte er sich noch einmal vergewissern, dass Marco immer noch friedlich schlief. Dann wandte er sich wieder Gina zu, die immer noch wie angewurzelt dastand. Als Marcos Mutter hatte sie jedes Recht, in diesem Zimmer zu sein. Seine, Alessandros, Anwesenheit verlangte nach einer Erklärung.
Langsam ging er auf Gina zu und flüsterte: „Es tut mir leid, dass Sie geweckt worden sind. Ich denke, er schläft jetzt wieder.“
„Was war denn los?“, flüsterte sie. Für einen Moment hatte ihre mütterliche Besorgnis die Gefühle verdrängt, die Alessandros Anwesenheit in ihr wachrief.
Er lächelte entschuldigend. „Als ich ins Zimmer kam, lag er ganz unter der Bettdecke versteckt, und ich hatte Angst, er könnte ersticken.“
„Ach nein, das ist schon in Ordnung. Er versteckt sich manchmal unter der Decke und kuschelt sich ein.“
Alessandro nickte zerknirscht. „Das wusste ich nicht. Ich wollte mich einfach nur vergewissern, dass alles in Ordnung ist, und ihn mit dem Kopf lieber wieder aufs Kissen legen. Dabei ist er wohl halb aufgewacht und hat geweint.“
Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Nun, Sie haben es aber gut geschafft, ihn wieder zu beruhigen.“
Alessandro erwiderte ihr Lächeln. „Zumindest hat er sich von mir beruhigen lassen.
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