JULIA FESTIVAL EXTRA Band 04

kompliziert wie andere. Ich habe diesen Job zum Beispiel als Therapie nach der Scheidung von meinem tyrannischen Ehemann angenommen. Und was ist mit Ihnen?“
    „Mit mir?“, fragte Hannah verständnislos.
    „Na ja, Sie sind fremd in der Stadt, wenn Sie nicht einmal ‚King’s Castle‘ kennen. Sind Sie auch vor etwas auf der Flucht?“
    „Eher auf Entdeckungsreise“, antwortete Hannah, vorsichtig darauf bedacht, nicht zu früh zu viel von sich preiszugeben. Außerdem war die Erinnerung an ihre Exliebe weit in den Hintergrund gedrängt worden, seit sie Antonio King kennengelernt hatte. Fast hätte sie Jodie alles Gute mit Flynn wünschen können. Fast. Sie überspielte das hässliche Gefühl von Verrat mit einem heiteren Lächeln. „Ich wollte hier einen Job finden und eine Weile bleiben. Es ist eine wunderschöne Gegend.“
    „Ganz bestimmt“, pflichtete Sally ihr bei. „Haben Sie schon eine Unterkunft?“
    „Ja, das ist alles geregelt.“ Auch in diesem Punkt hielt sie es für klüger, den Mund zu halten. „Jetzt brauche ich so viele Informationen wie möglich über die ‚Duchess‘ und …“
    „Einen Satz Uniformen“, ergänzte Sally. „Kommen Sie. Ich versorge Sie mit allem Nötigen.“
    Zehn Minuten später fuhr die „Duchess“ in den Yachthafen ein. Sie beobachteten die Ankunft von den Verandatüren aus, die auf den Promenadenbalkon hinausführten. Selbst für Hannah, die in Fremantle schon viele teure Yachten gesehen hatte, war es ein tolles Boot: ein schnittiger, eleganter schwarz-weißer Katamaran, den ein Hauch von Luxus und Exklusivität umgab.
    „Das beste Boot weit und breit“, sagte Sally stolz. „Erst letztes Jahr vom Stapel gelaufen. Salon und Brücke vollklimatisiert, modernste Unterhaltungseinrichtungen, eine Rampe zum Eintauchen und für Sie eine bestens ausgestattete Kombüse einschließlich einer Espressomaschine und eines Geschirrspülers.“ Sie warf Hannah einen bezeichnenden Blick zu. „Plastikteller sind auf der ‚Duchess‘ verpönt. Alles nur vom Feinsten.“
    Hannah nickte beeindruckt, während sie zusah, wie die Tagesgäste von Bord gingen und sich auf dem Kai versammelten. Allein die Kleidung und die mitgeführten Sporttaschen dieser Leute verrieten, dass es sich um eine gut betuchte Klientel handelte, die für ihr Geld entsprechende Leistungen erwartete. Ihre zufriedenen Gesichter ließen darauf schließen, dass der Fünfsterneservice an Bord der „Duchess“ an diesem Tag keine Wünsche offen gelassen hatte.
    Entschlossen atmete Hannah tief ein und schwor sich einmal mehr, Antonio King nicht zu enttäuschen. Der Wunsch, ihn zufriedenzustellen, ja, zu erfreuen, ging, wenn sie ehrlich war, über das Maß dessen hinaus, was für eine Angestellte gegenüber ihrem Arbeitgeber normal gewesen wäre. Aber Hannah versuchte erst gar nicht zu leugnen, dass sie sich heftig zu Antonio hingezogen fühlte.
    „Fährt … Mr. King auch schon einmal auf der ‚Duchess‘ mit?“, erkundigte sie sich unwillkürlich.
    „O ja! Fast jeden Samstag und Sonntag ist er der Kapitän an Bord. Und wenn sie für eine besondere Gesellschaft gechartert wird. Schon einige Prominente mit ihrem Anhang haben sich die ‚Duchess‘ für eine Tagestour reserviert. Und um diese VIPs kümmert sich Antonio gern persönlich. Er ist ein fabelhafter Gastgeber, was natürlich in diesen Kreisen schnell die Runde macht. Eine bessere Werbung könnten wir gar nicht bekommen.“
    Antonio … Sally nannte ihren Chef so selbstverständlich beim Vornamen, dass Hannah ihre plötzlichen Bedenken in dieser Hinsicht lächerlich vorkamen. Auf dem Schloss hatte sie kein Problem damit gehabt. Zugegeben, seitdem hatte er sich merklich kühler und distanzierter verhalten, aber vermutlich war sie auch nur überempfindlich, was Antonio King betraf, weil sie ihm unbedingt gefallen wollte.
    Heute war Mittwoch. Ihr blieben also zwei Tage, um alles zu lernen, an ihren Kochkünsten zu feilen und in jeder Hinsicht vorbereitet zu sein, bevor er persönlich an Bord kommen würde. Morgen würde sie sich ein Notizbuch mitnehmen und sich alles aufschreiben, was Chris’ Aufgaben umfasste und was sie über die Kombüse wissen musste. Sobald sie sich die tägliche Routine angeeignet hatte, konnte sie ihre ganz besondere Note hinzufügen und Antonio beweisen, dass er sich mit ihr als Küchenchef einen wahren Schatz geangelt hatte. Dann würde er ihr sein atemberaubendes Lächeln schenken und …

    „Die Crew kommt von Bord“,